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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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Vaters zu lösen. Ich las Ute Ehrhardts Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin , das Theaterstück Nora oder Ein Puppenheim des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen (er schrieb es tatsächlich schon 1879!) oder Simone de Beauvoirs Standardwerk Das andere Geschlecht . Ich konzentrierte mich auf feministische Literatur, denn ich hatte ein massives Problem mit meiner Weiblichkeit. Wenigstens hatte ich auf diesen »Nebenkriegsschauplätzen« ein Aha-Erlebnis nach dem nächsten. In der Geo Wissen -Ausgabe »Frau und Mann« lernte ich im Jahr2000 , mit sechsundzwanzig Jahren, dass es Menschen gibt, die sowohl Männer als auch Frauen sind, sogenannte Intersexuelle.
    Â»Das ist ja der Hammer! Wusstest du das?«, fragte ich Björn aufgeregt.
    Â»Na klar, das sind Zwitter«, sagte er, der eine viel bessere Allgemeinbildung hatte als ich.
    Das Wort »Zwitter« kannte ich nur als Schimpfwort, ohne die genaue Bedeutung zu kennen. Das in dem Magazin geschilderte Schicksal des amerikanischen Jungen David (Bruce) Reimer, der gegen seinen Willen als Brenda aufgezogen wurde und sich als Erwachsener das Leben nahm, erschütterte mich nachhaltig. Bis heute empfinde ich es als Skandal, dass intersexuelle Menschen diffamiert werden und sich dafür entscheiden müssen, ob sie als Mann oder als Frau registriert werden wollen, obwohl sie durch ihre Hormone, Geschlechtsorgane und Chromosomen eben beides sind. Meine damalige zentrale Frage aber war: »Was macht eigentlich eine Frau zu einer Frau?« Sie bekam durch die Existenz von Hermaphroditen eine ganz neue Dimension: Nur weil ein Mensch Brüste hat, muss er längst noch keine Frau sein. Es gab kein bestimmtes Mädchen- oder Frauenbild, wie mein Vater es mir immer suggeriert hat. So viele Facetten waren möglich. Was für andere selbstverständlich erscheinen mochte, für mich war es, als wäre ich vorher blind gewesen und konnte jetzt wieder sehen.
    Ich abonnierte die Emma , nervte Björn mit Diskussionen über den Haushalt und konnte aus dem Stegreif Gesetze zitieren, darunter das, in dem erst 1997 eine Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wurde. Die Partnerschaft, die ich führte, war gleichberechtigt. Heiraten kam nicht infrage, und wenn doch, so nahm ich mir wenigstens vor, niemals meinen Namen abzulegen. Zugleich überlegte ich, mich politisch bei Terre des Femmeszu engagieren, um mich für die Menschenrechte der Frauen einzusetzen. All diese Aktionen hatten ebenfalls etwas Besessenes an sich, ähnlich wie mein Kontrollwahn.
    Nach innen jedoch, gefühlsmäßig, war ich immer noch davon überzeugt, dass Frauen sich Männern unterzuordnen hatten. Deshalb war ich in Wahrheit immer nur so emanzipiert wie mein jeweiliger Freund. Björn war für die Gleichberechtigung, und deshalb lebten wir das beide auch. Das ging so weit, dass er vor einem Urlaub nach Schweden zu mir sagte: »Du willst doch immer gleich behandelt werden, dann kannst du deinen Koffer auch selbst tragen.« – »Da hast du vollkommen recht«, erwiderte ich und trug stolz wie eine Mutter, die zum ersten Mal ihr Baby zeigt, mein Gepäck zum Auto. In meiner Beziehung nach Björn hatte ich einen Freund, der im Herzen ein Pascha war. Auch ihm passte ich mich an – und verdrängte meine Vorstellungen von einem gleichberechtigten Leben in einer Partnerschaft. Diese innerliche Spaltung trage ich noch immer in mir, bin mir dessen aber wenigstens bewusst – und versuche dagegen anzusteuern.
    Als Björn sich nach zehn Jahren von mir trennte, hatte ich mehr das Gefühl, statt meines Partners meine Familie zu verlieren. Trotzdem war ich in meiner Weiblichkeit gekränkt. Björn hatte sich neu verliebt, und es tat mir weh, dass er eine andere so viel besser fand als mich. Wieder war ich fest davon überzeugt, keine attraktive, charmante Frau zu sein. Wieder war ich unendlich einsam, wieder war da dieses Gefühl, völlig allein auf der Welt zu sein.
    Ich litt furchtbar darunter, dass ich zu niemandem mehr gehörte. Der Kühlschrank war nur noch halb voll, die Wohnung, in der wir gemeinsam gelebt hatten und die ich behielt, verwaist. Vom Kopf her wusste ich, dass es richtig gewesen war, sich zu trennen. Schon seit Langem waren wir ein gutes Team – gute Freunde, ja (das sind wir heute noch), aber kein Paar. Zu einem großen Teil hatten meine Sorgen und Depressionen das Gute

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