Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Leben weiterhin belastend, nimmt die Aussicht zu, erneut depressiv zu werden. »Frauen, die arbeitslos sind, tragen das vierfache Risiko, zu erkranken. Wird eine Frau überfallen oder vergewaltigt, erhöht sich das Risiko, innerhalb der nächsten vier Wochen an einer Depression zu leiden, um das Zwanzigfache.«
Soziale Hintergründe
Bei depressiven Frauen hat sich gezeigt, dass viele von ihnen noch immer den Männern untergeordnet sind, sie sich in einer Situation befinden, in der sie nicht frei über ihr Leben bestimmen können. Mädchen lernen weiterhin häufiger als Jungen, sich anzupassen und die Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen â dieses Denken setzt sich im Erwachsenenleben fort. Da greifen die Muster klassischer Geschlechter-Stereotype ebenso, nach denen Frauen abhängig, passiv und wenig aggressiv sein sollen. Frauen haben auch das Problem, dass sie meist viele verschiedene Rollen ausüben müssen, zugleich Mutter, Ehefrau, Schwiegertochter, Freundin, Berufstätige, Köchin, Buchhalterin und Haushälterin sein müssen. Darüber hinaus sind sie in der Familie diejenigen, die für die Beziehungen und die Pflege von Angehörigen verantwortlich sind. Sie sind deshalb häufig schnell überlastet. Frauen werden auch öfter Opfer von sexuellem und psychischem Missbrauch. AuÃerdem erhalten sie in der Gesellschaft immer noch weniger Anerkennung als Männer und haben nicht selten einen geringeren beruflichen Status. Sie leben öfter unter der Armutsgrenze als das andere Geschlecht, besonders betrifft das alleinerziehende Mütter. All dies sind Stressfaktoren, die zur Entwicklung einer Depression führen können â aber nicht müssen.
Auch kulturelle Einflüsse können sich auswirken. Bei uns nehmen beispielsweise männliche Ãrzte Depressionen bei Männern eher nicht wahr. Da in Industriegesellschaften wie der unsrigen der Leistungsgedanke sehr verbreitet ist, ist es für Männer schwierig, sich schwach und depressiv zu zeigen. Anders bei Frauen, was auch erklärt, warum sie sich bei Symptomen wie Niedergeschlagenheit und Traurigkeit deutlich häufiger als Männer in ärztliche Behandlung begeben. Ein groÃer Nachteil für depressive Frauen besteht darin, dass sie weit weniger umsorgt werden als Männer, wenn sie krank sind. Mit den Geschlechter-Stereotypen sind auch bestimmte emotionale Fähigkeiten verknüpft. Depressive Männer profitieren sehr von dem sorgenden, kümmernden und schützenden Verhalten von Frauen. Auf ihre kranke Frau reagieren viele Männer dagegen sehr hilflos.
Weibliche Persönlichkeit
Bestimmte Persönlichkeitsmuster gehen überdurchschnittlich häufig mit einer Depression einher. Meist sind es Frauen, die ängstlich sind, abhängig (in der Partnerschaft oder im Beruf), sich selbst wenig wertschätzen und grundsätzlich auf die Bedürfnisse anderer achten. In Konflikten entwickeln Frauen tendenziell Schuldgefühle und kreisen um das Problem, während Männer mehr zu Wut neigen und Probleme eher verdrängen. In Beziehungen reagieren diese Frauen überempfindlich auf Zurückweisungen. Sie sind auÃerdem sehr pflichtbewusst, der »Typus melancholicus« fragt sich stets, was von ihm erwartet wird. Vertreterinnen dieser Persönlichkeitsstruktur reagieren mehr, als dass sie agieren. 19
Gerade die heute über sechzigjährigen Frauen sind davon betroffen. Sie haben sich in ihrem Leben noch vornehmlich um den Haushalt, die Kinder, den Mann und um soziales Engagement gekümmert. Deshalb sind sie in der Regel finanziell schlechter gestellt als gleichaltrige Männer, weil diese Dienste nicht auf die Rente angerechnet werden. Sind die Kinder einmal erwachsen, übernehmen die Frauen häufig noch die Pflege von älteren Familienangehörigen. Bestimmte untypische Depressionssymptome finden sich bei ihnen vermehrt, wie etwa eine übermäÃige Müdigkeit oder eine plötzliche Appetitsteigerung mit Gewichtszunahme. Auch leiden sie oftmals unter Angstzuständen und haben körperliche Beschwerden wie Atmungs- oder Herzprobleme, Rückenschmerzen oder Magen-Darm-Erkrankungen. Viele Frauen bekommen auch Migräne, diese schweren Kopfschmerzen treten bei Depressionen häufig auf.
Biologische Aspekte
Experten sprechen bei Frauen von einer »erhöhten Verletzlichkeit«, wenn genetische Komponenten
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