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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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wäre ich nur noch eine Marionette, die so tat, als wäre sie ich. Viele wussten, dass es mir schlecht ging. Aber niemand sah, dass ich innerlich hohl und leer, im Grunde nicht mehr da war. Irgendwann spazierte ich durch die Hamburger Fußgängerzone und war fest davon überzeugt, neben mir zu gehen, nicht mehr Teil meines Körpers zu sein. Dass das wahr war, daskonnte ich noch fühlen.

10 Kein Prozac ist auch keine Lösung – Depressionen und Medikamente
    Antidepressiva
    Lange hatte ich mich geweigert, Medikamente zu nehmen. Eigentlich wusste ich nichts über Psychopharmaka, hatte nur Angst vor ihnen. Sie erschienen mir gefährlich, und ich hatte Sorge, sie könnten mich süchtig machen oder meine Persönlichkeit total verändern. Irgendwann ging es mir dann so schlecht, dass mein damaliger Arzt sie mir eindrücklich empfahl. Als er mir die Wirkungsweise von Antidepressiva im Detail erklärte, erfuhr ich zu meiner Überraschung, dass sie nicht abhängig machen. Damals bekam ich Fluctin verschrieben, auch Prozac genannt, eines der bekanntesten Psychopharmaka überhaupt. Nebenwirkungen konnte ich nach der Einnahme der Tabletten nicht feststellen, obwohl der Beipackzettel einige aufgeführt hatte, dafür aber hatte ich deutlich mehr Antrieb. Endlich fiel es mir leichter, meinen Alltag zu bewältigen, und vor allem konnte ich wieder besser arbeiten. Ich war nicht mehr so kraftlos, hatte mehr Energie. Als es mir nach einem Jahr besser ging, setzte ich die Tabletten langsam ab. »Ausschleichen« nennt man das, weil dabei nach und nach die Medikamentendosis verringert wird und man die Tabletten nicht von einem Tag auf den anderen absetzt.
    Einige Jahre später ließ ich mir erneut Antidepressiva verschreiben, nun wissend, dass sie auch bei Einnahme über einen langen Zeitraum weder Körper noch Geist schaden. Vor allem aber weiß ich, welche große Chance sie bieten, mein Leben einigermaßen normal weiterzuführen. Ich könnte sicher nicht mehr so arbeiten und meinen Alltag stemmen, wenn ich keine nehmen würde. Sie geben mir die nötige Kraft, um morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen.
    Ich will es nicht beschönigen: Es war dieses Mal äußerst belastend, bis ich das richtige Medikament gefunden hatte, denn bei meinem zweiten Versuch trat nicht die gewünschte Wirkung ein. Und bei einem eingenommenen Antidepressivum hatte ich auch Nebenwirkungen gehabt – und zwar Müdigkeit. Bei einer Depression ist das zwar nachts gut, aber tagsüber nicht die beste Voraussetzung, um von dem Medikament überzeugt zu sein. Aber die gute Nachricht ist: Der Markt der Antidepressiva ist inzwischen so groß, dass man mit einigem Ausprobieren ein Mittel mit wenigen oder eben gar keinen Nebenwirkungen finden kann. Doch die Medikamente sind nicht das alleinige Heilmittel. Sie helfen mir nicht gegen die Traurigkeit und auch nicht gegen meine Probleme, sie geben mir, wie gesagt, einzig deutlich mehr Antrieb. Doch das ist nicht zu unterschätzen.
    Antidepressiva wirken im Gehirn auf verschiedene biochemische Botenstoffe ein, deren Funktion gestört ist. Botenstoffe sind wichtig für die Kommunikation zwischen den Zellen, und ein Ungleichgewicht bei den Neurotransmittern ist ja einer der wesentlichen Ursachen für eine Depression.
    Alles, was wir tun, gehen und sprechen genauso wie trauern und nachdenken, einfach alles wird über die Nervenfasern im Gehirn gesteuert. Sobald wir die Aktivität dieser Nervenzellen beeinflussen, zum Beispiel durch Alkohol, verändern sich auch unser Erleben und Verhalten. Unsere Hirnfunktion und unsere Stimmung ändern sich aber auch schon beim Musikhören oder wenn wir einen Sonnenuntergang am Meer beobachten. Grundsätzlich haben wir rund hundert Milliarden Nervenzellen im Gehirn. Diese sind aktiv und steuern unser Dasein durch elektrische Impulse, die bis in alle Verästelungen der Nervenenden hineinreichen. Damit also unser Gehirn funktioniert, müssen elektrische Impulse weitergeleitet werden. Um diese Weiterleitung von elektrischen Impulsen geht es auch bei der Wirkung von Antidepressiva. Wie dies genau geschieht, ist ein bisschen kompliziert. Hier ein vereinfachtes Schema:
Zwischen den einzelnen Nervenzellen besteht keine direkte Verbindung. Damit ein Impuls von einer Nervenzelle in die nächste weitergeleitet werden kann, müssen die Nervenzellen Botenstoffe herstellen.
Bei

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