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Kalt ist der Abendhauch

Kalt ist der Abendhauch

Titel: Kalt ist der Abendhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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kann man kaum sein.
    »Ich war krank und nicht dabei«, sage ich schroff. Wird er nie begreifen, daß diese Hochzeit das Trauma meines Lebens war? Etwas gehässig füge ich hinzu: »Die alte Kirche wurde genauso zerstört wie das gesamte übrige Zentrum, das hier ist eine Rekonstruktion.«
    Eigentlich hatte ich vor - wo wir doch sowieso mit einer Taxe heimfahren wollen -, Lebensmittel einzukaufen; Brot, Milch, Marmelade, Butter. Auch Seife, Klopapier und Spülmittel gehen zur Neige. Aber Hugo kann nicht mehr, ich muß froh sein, daß er es noch bis zum Taxistand schafft.
    Zu Hause versteckt Hugo die Tüte unter seinem Bett (ich sehe es zwar nicht, höre ihn aber rumoren), läßt sich aufs Sofa fallen, denn sein Kämmerchen ist wirklich nur zum Schlafen geeignet, und verlangt ein nicht zu kaltes Bier. Er hält es schon in der Hand, bevor ich mir die Straßenschuhe ausgezogen habe. Diesen blöden Diensteifer sollte ich mir auf meine alten Tage noch schleunigst abgewöhnen.
    »Charlotte, du hast etwas Vermögen, ich aber auch. Wenn wir unser Geld zusammenlegen, können wir uns eine bequeme, altersgerechte Wohnung leisten.«
    »Für mich ist mein Haus ideal«, sage ich kurz.
    »Du willst natürlich deinen Bernhard nicht verlassen. Würdest du, wenn ich dieses Problem lösen könnte, das Haus vermieten oder unserer Tochter überschreiben?«
    Ich betrachte den alten Mann. Will er sich an mein Geld heranmachen? Das wäre nicht Hugos Stil, finanzielle Dinge sind ihm nie wichtig gewesen. »In unserem Alter«, sage ich, »muß man zur eigenen Beruhigung etwas auf der hohen Kante haben. Stell dir vor, ich brauche plötzlich Pflege...«
    »Wofür hast du drei Kinder?« fragt Hugo, für den Heidemaries Aufopferung selbstverständlich ist.
    Über diesen Punkt habe ich oft genug nachgedacht. »Meine Kinder würden mich sicherlich aufnehmen. Aber zu Veronika mag ich nicht, Amerika ist mir zu fremd. Bei Ulrich wäre meine Schwiegertochter zuständig, sie müßte ihre Lebensweise völlig umkrempeln, wenn eine alte kranke Frau ins Haus käme. Auch nicht gut. Und Regine - wie stellst du dir das vor? Sie ist berufstätig.«
    Nach unserem Gespräch wird mir erneut klar, daß Hugo für immer bei mir bleiben will. Ein Leben lang habe ich mir das gewünscht; sollte ich mich nicht herzlich darüber freuen?
    Hugo merkt, daß ich grüble. »Sag mal«, fragt er vorsichtig, »nach Antons Unfall und Tod hast du lange Zeit nichts mehr von mir wissen wollen. Gab es damals einen Neuen?«
    Ich bin empört. »Meinst du, die Männer reißen sich um eine fünfundvierzigjährige Witwe mit drei halbwüchsigen Kindern? Und außerdem - habe ich dich nach deinen vielen Weibern gefragt?«
    Nun ist Hugo verschnupft und betont, daß es keine Weiber, sondern anständige Frauen gewesen seien.
    Als Anton starb, hinterließ er mir eine bescheidene Lebensversicherung. Anfangs wagte ich nicht, das Geld anzutasten, aber nach etwa einem Jahr waren Trauer und Zurückhaltung verflogen. Ich beschloß, mit den Kindern einen schönen Urlaub in Kärnten zu verbringen; damals begann man wieder zu reisen, ganze Großfamilien machten sich auf den Weg zum Teutonengrill nach Rimini. Natürlich war ich stolz darauf, als arme Kriegerwitwe auch einmal auf Erholungsreise zu gehen, zumal wegen der Kinder, die bisher lediglich den Bauernhof meiner Schwägerin Monika in den Sommerferien besucht hatten. Dummerweise teilte ich nicht nur meiner Mutter und Alice diese Pläne mit, sondern auch meiner katholischen Schwester. Fanni, die bei einem Pfarrer Haushälterin geworden war, hatte bisher ihren Urlaub - wenige Tage im Jahr - nur für Familientreffen verwendet. Mein Brief muß derart mitreißend gewesen sein, daß sie umgehend zurückschrieb, sie wolle mitkommen. Ich überlegte hin und her. Veronika und Ulrich waren selbständig und würden eigenen Interessen nachgehen, aber Regine war und blieb ein ängstliches Kind und hing an meinem Rockzipfel. Selbstverständlich hatten wir kein Hotel, sondern Zimmer bei einer privaten Vermieterin gebucht. Fanni könnte sich ein wenig um Regine kümmern, ich wäre nicht so angebunden. Andererseits würde meine Schwester auch mich nicht aus den Augen lassen und jeden Mann kritisch beäugen, der sich mir auch nur auf zehn Meter Entfernung näherte. Aber natürlich schrieb ich, ihre Begleitung wäre mir eine Freude, denn ich hatte nicht das Herz, ihr diese Bitte abzuschlagen.
    Die drei bäuerlichen Stuben mit großen Federbetten und der Erlaubnis, Bad und

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