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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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geringste Interesse daran, ob Sie ein glückliches Leben führen.« Ich atmete tief durch. »Und was hat das mit meiner Zwangseinweisung zu tun?«
    »Ich war nicht sicher, ob Ihnen selbst noch etwas am Leben liegt.«
    »Keine Angst, das tut es.«
    »Es freut mich, das zu hören.« Er nickte und spielte an seinem Manschettenknopf herum, einem goldenen Quadrat mit einer eingelegten Spirale aus Lapislazuli. »Wie haben Sie sich das mit dem Kokain weiter vorgestellt? Freud fand es übrigens ziemlich unbefriedigend.«
    »Ich habe vor zwei Tagen aufgehört. Ich bin ...«
    »... bestenfalls ganz am Anfang.« Er lächelte. Einige Sekunden vergingen. Dann wurde seine Miene ernst. »Frank, ich werde jetzt etwas tun, das ich noch nie zuvor getan habe.«
    Mir wurde ziemlich mulmig. »Was haben Sie vor ?«
    »Gegen das Arztgeheimnis zu verstoßen.«
    Ich wartete. Ich wußte nicht, worauf er hinauswollte.
    »Ich habe Ihren Vater hier in dieser Klinik behandelt. Mehr als einmal.«
    »Meinen Vater ? Sie waren sein Arzt?«
    »Ja. Aber da wäre noch etwas Wichtigeres: Ich erkenne ihn in Ihnen wieder.«
    Ich schwieg.
    »Meistens kam er hereingetorkelt und tobte, er werde sich in der Salem Station vor den Zug werfen. Er war betrunken. Immer dieselbe Geschichte.«
    »Mein Großvater war Lokführer bei der alten Boston-and-Maine Eisenbahngesellschaft. Die Salem Station war seine Dienststelle.«
    »Aha. Davon hat Ihr Vater nie etwas gesagt. Schade.«
    »Er hätte sich nie einem anderen Menschen anvertraut. Nicht einmal Ihnen. Niemandem. Das war nicht seine Art.«
    »Es muß schwer gewesen sein, ihn zu lieben.«
    Es schnürte mir die Kehle zu, so daß ich kein Wort herausbrachte. »Sie waren dabei, in jener Nacht, als er sich tatsächlich auf die Schienen gelegt hat.«
    »Was? Wann soll das gewesen sein? Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Sie waren acht Jahre alt. Kein Wunder, daß Sie dieses Erlebnis verdrängt haben.«
    »Was ist geschehen?«
    »Ihr Vater war wieder einmal betrunken. Er ist von einem menschenleeren Bahnsteig gesprungen und hat sich auf die Schienen gelegt.« Er hielt inne. »Da ich jetzt weiß, daß Ihr Großvater Eisenbahner war, tippe ich auf einen symbolischen Akt. Wahrscheinlich hat er mit diesem Mann die Hölle durchgemacht.« Er schüttelte den Kopf. »Aber er hätte sich statt eines Bahnhofs auch jeden anderen x-beliebigen Ort aussuchen können. Er wollte einfach nur schlafen. Für immer. Sein Schmerz hatte ihn zermürbt.« Pearson blickte zu Boden, nickte und sah mich an. »Und obwohl Sie erst acht Jahre alt waren und ihn sicher schon damals gehaßt haben, haben Sie ihn dennoch genug geliebt, um etwas Bemerkenswertes zu tun.«
    Ich stellte mir vor, wie mein Vater bewußtlos auf den Gleisen lag, doch das Bild war sofort wieder verschwunden. »Sie sind hinuntergeklettert und haben versucht, ihn raufzuziehen. Dabei haben Sie sein Hemd zerrissen. Sie sind gestolpert, haben sich die Knie aufgeschlagen und sich mit einer Glasscherbe schwer am Daumen verletzt.« Ich musterte meinen linken Daumen. Seit ich denken konnte, hatte ich dort
eine
gezackte Narbe, die vom ersten Knöchel bis zum Handballen verlief. Woher sie stammte, wußte ich nicht, und ich hatte auch nie danach gefragt. »Und als Sie ihn nicht raufziehen konnten, haben Sie um Hilfe geschrien. Ein Reinigungsmann von der Nachtschicht hat Sie beide gefunden und gerettet. Dann hat die Polizei Sie hierher in die Notaufnahme gebracht.«
    »Und Sie waren da?«
    »Richtig. Und jetzt sind wir beide wieder hier.«
    Ich bekam eine Gänsehaut.
    »Ich sage Ihnen jetzt dasselbe wie damals in jener Nacht Ihrem Vater«, fuhr Pearson leise fort. »Ich kann Sie nicht daran hindern, sich kaputtzumachen. Das kann niemand, denn letztendlich liegt diese Entscheidung allein bei Ihnen.« Er stand auf und reichte mir die Hand.
    Ich ergriff sie. Sie fühlte sich warm und weich an. »Wie geht es nun weiter ?« wollte ich wissen.
    »Gute Frage.« Wieder hielt er inne. »Es wäre mir immer noch eine Ehre, Ihnen bei der Suche nach der Antwort helfen zu können.«
    Ich sah zu, wie Pearson ein paar Worte mit Nels wechselte. Da ständig Leute vorbeikamen und die Sicht versperrten und mir außerdem die Tränen in den Augen standen, konnte ich nicht feststellen, was zwischen den beiden ablief. Schließlich schüttelten sie einander die Hand, und Pearson verließ den Raum.
    Kurz darauf betrat Nels mein Zimmer. »Ich muß dich noch mal fragen: Besteht wirklich keine Möglichkeit, daß du dir was

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