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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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mich noch schlimmer verprügeln. Ich konnte aus dem Fenster und über die Feuerleiter fliehen, aber ich war überzeugt davon, daß er schneller rannte als ich. Ich konnte auch nach meiner Mutter rufen, allerdings wußte ich, daß sie sich wahrscheinlich selbst irgendwo versteckte. Deshalb wartete ich schweigend und lauschte den langsamen Schritten meines Vaters auf der hölzernen Treppe. Näher und näher. Manchmal schaffte ich es, mir einzureden, daß sich Spiderman draußen an die Mauer vor meinem Fenster klammerte, um mir eine Spinnwebe zuzuwerfen, an der ich mich in die Freiheit schwingen konnte. Aber pünktlich wie die Uhr öffnete mein Vater auf der vierzehnten Stufe mit einem Klicken seine Gürtelschnalle. Darauf folgte das gräßliche Knirschen von Leder, wenn man es durch die Schlaufen zieht. Das Schlimmste war der Gesichtsausdruck, mit dem er schließlich mein Zimmer betrat. Er sah nicht wütend aus, sondern eher müde und gleichgültig, so als würde er den Müll runterbringen. Damals verstand ich seine unbeteiligte Miene nicht, und sie machte mir angst. Heute weiß ich, daß er es gar nicht auf mich abgesehen hatte. Er hatte keine Ahnung, warum er so gewalttätig war, und das erklärt wahrscheinlich, weshalb die Prügel immer so verdammt lang dauerten.
    Ich hatte gerade meine Runde durch Hancocks Ehrengalerie beendet, als sie hereinkam. Sie war völlig außer Atem. Ihr derbes Gesicht war hochrot. »Morgen, Frank«, sagte sie, ohne mich anzusehen.
    »Tut mir leid, daß ich Ihnen Schwierigkeiten bereitet habe.«
    Sie ging zum Schreibtisch und fing an, ihren Aktenkoffer auszupacken. »Als Malloy anrief, bin ich so schnell wie möglich gekommen.« Sie warf einen Stapel Papiere auf die Schreibunterlage, holte einige Ordner aus der Tasche und verstaute sie in ihrem Aktenschrank. »Es ist zwar kein besonders tolles Büro – nicht wie bei einem Arzt oder bei einem Anwalt –, aber ich bin stolz darauf.« Sie schloß die Schublade des Schrankes und setzte sich auf die Schreibtischkante. Dann wies sie auf die Photos an der Wand.
    »Ich würde mich freuen, wenn Ihnen diese Bilder das Gefühl vermitteln, daß jeder, der bei der Stadt arbeitet – vom Polizisten bis zum Lehrer –, an einem Strang zieht. Es ist wichtig, daß sich keiner ausklinkt. Denn ohne Teamwork wäre diese Stadt – jede Stadt – am Ende.«
    Ich unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen.«
    »Das hatte ich eigentlich auch gedacht«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie meinem Gefangenen hinter meinem Rücken ein Betäubungsmittel gespritzt. Falls Ihre Vorstellung von Teamwork so aussieht ...«
    »Darf ich es Ihnen erklären?«
    »Ich bitte darum.« Sie klickte mit den Fingernägeln. Ein roter Lacksplitter flog hoch. »Schießen Sie los.«
    »Ich mußte schnell handeln. Leute wie Westmoreland, richtige paranoide Schizophrene also, fühlen sich ständig wie bei einer Belagerung. Jeder versucht, in sie einzudringen, ihre Gedanken zu lesen oder ihnen Ideen einzuflößen. Wir müßten ihn wochenlang mit Thorazin vollpumpen, damit auch nur die geringste Hoffnung besteht, seine Paranoia zu durchbrechen. Und wir brauchen die Antworten jetzt.«
    »Könnte das daran liegen, daß Ihnen die Antworten, die wir schon haben, nicht in den Kram passen? Aber egal. Nicht Sie sind Leiter dieser Abteilung, sondern ich. Und ich habe Ihnen nur eine einzige Frage gestellt: Wann bekomme ich ein Geständnis von meinem Gefangenen? Oder habe ich Sie etwa aufgefordert, auf eigene Faust zu ermitteln?«
    »Emma, ich habe meine Probleme mit diesem Fall. Amytal war die einzige Methode herauszufinden, was in Westmoreland vorgeht. Ich dachte, wenn er Sarah umgebracht hat, könnte er uns sagen, wo wir die Mordwaffe und« – Hancock klopfte mit dem Fuß auf den Boden – »ihre Brüste finden. Wenn er nicht der Mörder ist, hat er ihn vielleicht beobachtet. Was er mir erzählt hat, läuft darauf hinaus, daß er Sarah zufällig unter einem Laubhaufen fand.«
    »Igitt. Sind Sie fertig?«
    »Sie war bereits tot.«
    »Sie war bereits tot.
Wissen Sie, wie viele Mörder Stein und Bein schwören, daß sie die Leiche rein zufällig gefunden hätten? Und was ist mit dem Blut auf seinen Sachen?«
    »Er hat Sarahs Wunden erst gesehen, nachdem er sich an ihr vergangen hatte und sie in die Arme nahm. Er hielt sie für die Madonna. Als er von einer Telephonzelle aus hier

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