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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Jungfrau beschmutzt?« fragte ich.
    Er schwieg eine Weile. »Die Schlange«, sagte er schließlich. »Ich habe die Schlange in ihren Schoß gelegt.«
    »Hat sie sich gewehrt?«
    »Sie war nie gegen mich.«
    »Hat sie geschrien?«
    »Sie ist nicht aufgewacht. Mein Engel schlief in einer Wolke aus Laub.«
    »In einer Wolke aus Laub ...«
    »Sie hat mir nur die Hand gereicht. Aber die Hand war mir nicht genug, Vater. Nein. Nein. Nicht einmal die heiligste aller Hände. Ich entblößte ihre Beine und ihren Schoß. Ich bin ein Sünder und habe Gottes Zorn verdient. Ich bin der übelste Bösewicht, den es je auf Erden gegeben hat. Ich muß verurteilt werden.«
    »Woher wußten Sie, daß die Madonna tot war?«
    Westmoreland atmete immer schneller. »Ich nahm sie in die Arme ... Gott hatte sein schreckliches Zeichen auf ihr hinterlassen ... Blut ... klebrig und naß ... überall.«
    »Was für ein Zeichen hat Gott hinterlassen?«
    »Er hat ... Er hat ihr die Milch genommen.«
    Ich hörte, wie die Zellentür aufging.
    »Ende der Vorstellung, Frankenstein«, sagte eine Stimme. »Sie haben unsere Gastfreundschaft schon zu lange strapaziert.« Als ich aufblickte, sah ich Malloy auf der Schwelle stehen, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt. Neben ihm Lucey. »Diesmal haben Sie sich selbst übertroffen«, höhnte Malloy. »Captain Hancock wird Ihnen Ihren Kopf auf einem silbernen Tablett servieren. Sie sollen in ihrem Büro auf sie warten.«
    »Jemand muß auf ihn aufpassen«, meinte ich und wies mit dem Kopf auf Westmoreland. »Das Amytal wirkt noch mindestens zwanzig Minuten.«
    »Was Sie nicht sagen! Haben Sie noch nicht kapiert, daß ich Ihr blödes Psychogequatsche satt habe? Los, raus hier.«
    »Und wer beaufsichtigt ihn?«
    Malloys Finger schlossen sich um den Gummiknüppel. »Soll ich kommen und Sie holen?«
    Ich stand auf. »Nur zu«, höhnte ich und sah ihn an. »Oder stimmt es, daß Sie sich nur bei Leuten trauen, die schon Handschellen tragen?«
    Ein paar Sekunden hielt er meinem Blick stand, doch dann senkte er die Augen. »Raus hier, hab ich gesagt.« Langsam ging ich aus der Zelle und kam auf ihn zu. »Jetzt hören Sie mal gut zu, Malloy. Entweder Sie oder Officer Lucey müssen bei Mr. Westmoreland bleiben. Wenn er das Gefühl bekommt, daß ihm jemand die Gedanken gestohlen hat, wird er Panik kriegen. Verstanden?«
    »Heg, General, kann es sein, daß Sie was vermissen?« rief Malloy in die Zelle.
    Westmoreland rührte sich nicht.
    Mit einem Kniestoß in den Wanst hätte ich Malloy leicht außer Gefecht setzen können. Aber Lucey stand dicht hinter ihm, und ein frischgebackener Polizist mit einer Pistole ist unberechenbar. Also holte ich tief Luft und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum Sie so ein Idiot sind, aber Sie sollten sich mal Gedanken darüber machen, bevor Sie die Antwort von mir kriegen.«
    »Ich sterbe vor Angst.«
    »Sehen Sie, das wäre schon mal ein Anfang«, sagte ich und marschierte los. »Jetzt können Sie mich zu Emma bringen.« Er drängte sich an mir vorbei, um voranzugehen.
    »Noch ein paar Sitzungen, und Sie brauchen die polierten Stiefel und die Polizeimarke vielleicht nicht mehr«, meinte ich. Die drei Stunden Schlaf hatten einfach nicht gereicht. Am liebsten hätte ich etwas von meinem zweiten Gramm geschnupft, doch es ist nicht sehr ratsam, auf einem Polizeirevier zu koksen. Also lief ich in Hancocks Büro auf und ab und betrachtete die Photos von ihr mit den örtlichen Honoratioren, die die Wände pflasterten. Emma und Bürgermeister McGinnis. Emma und der Abgeordnete DeTuleo. Emma und Kultusminister Coughlin. Emma und Stadtrat Caldwell. Emma und Polizeipräsident Rollins. Auf jedem Bild war Hancock das Auffälligste. Das lag zum Teil an ihrer Leibesfülle und zum Teil daran, daß sie die einzige Frau auf all den Photos war. Ich kicherte, allerdings nicht vor Freude. Als ich so auf sie wartete, fühlte ich mich an meine Kindheit in der Shepherd Street erinnert. Ich saß in meinem winzigen Zimmer und versuchte mich mit einem Spider-Man-Comic davon abzulenken, daß mein Vater schon fast eine Flasche Bourbon geleert hatte und jetzt im Wohnzimmer herummarschierte und Befehle aus dem Koreakrieg brüllte. Wenn er nüchtern war, sprach er nie von der Front. Später hörte ich ihn die Treppe hinauftorkeln, während ich im Geiste eine Liste sinnloser Möglichkeiten durchging. Ich konnte mich unter dem Bett oder im Schrank verkriechen. Doch wenn er mich dort fand, würde er

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