Kalt, kaltes Herz
eine schwere Depression findet man leichter zu sich selbst als durch eine Packung Prozac.« Sie beugte sich zu mir vor. »Oder durch ein Gramm Kokain.«
»Kokain?«
»Kokain?«
wiederholte sie spöttisch. »Du bist ein miserabler Lügner. Ich habe es geschmeckt, als ich die Zunge in deinem Mund hatte.«
»Ich habe noch was da, wenn du ...«
»Nein danke, ich nehme keine Drogen'. Aber tu dir keinen Zwang an.«
Diese Aufforderung hatte ich nicht nötig. Schon auf der Treppe hatte ich daran gedacht, mich auf eine Prise ins Bad zurückzuziehen. Ich holte mein Päckchen heraus.
»Ich hab es eine Zeitlang probiert – Schnee, Marihuana, Valium, Percocet, Heroin, Prozac, Zoloft.« Sie hielt inne. »Ach ja, Ritalin auch noch. Eine Menge Ritalin.«
Ich wußte nicht, ob ich mich näher mit Rachels psychiatrischer Krankengeschichte befassen wollte. Wenn ich Mitleid mit ihr bekam, würde ich sie nicht mehr vögeln können, wie ich es eigentlich vorhatte. Allerdings habe ich mich noch nie damit begnügen können, an der Oberfläche zu bleiben. »Hattest du Depressionen?«
»Sehr gut, Herr Doktor.« Sie drehte ihren Arm herum. Von ihrem Handgelenk aus liefen vier vertikale Narben einige Zentimeter ihren Unterarm hinauf. Wie hatte ich die übersehen können? »Ich habe versucht, mir mit Prozac das Leben zu nehmen. Niemand hatte mir gesagt, daß man das Zeug tonnenweise schlucken müßte, damit es klappt. Es heilt einen nicht, und es bringt einen auch nicht um. Wozu ist der Mist dann gut?«
»Und was hat dir geholfen?«
»Ein Seelenklempner, wie du einer bist.« Sie grinste. »War das die richtige Antwort?«
»Meiner Erfahrung nach nicht.«
»Wie recht du hast. Die Wahrheit ist, daß das Strippen mich gerettet hat. Als ich damit anfing, ging es mir sofort besser.«
»Ein Betäubungsmittel sozusagen?«
»Eher ein Sicherheitsventil.«
»Warum?«
»Um es im Psychologenjargon auszudrücken: Es ermöglicht mir, meine Wut nach außen anstatt nach innen zu richten.«
»Und ich dachte immer, wir Männer wären die Ausbeuter.«
»Falsch. Ich weiß, was die Gäste durchmachen, wenn ich mich über sie beuge. Die meisten haben übergewichtige, alternde Frauen zu Hause, die ihnen keinen blasen würden, auch wenn es um ihr Leben ginge. Ich weiß, daß sie bei meinem Anblick einen Steifen kriegen und daß sie davon träumen, mit mir zu schlafen. Uns trennen zwar nur wenige Meter, aber sie kommen nie wirklich an mich ran. Ich sehe den Schmerz in ihren Augen.«
»Du bist ja eine richtige Sadistin.«
»Nur auf der Bühne. Und das reicht mir. So habe ich es nicht nötig, jemanden umzubringen.«
»Warte noch ein paar Jahre.« Ich rieb mir eine Prise ins Zahnfleisch und steckte das Päckchen weg. »Ich frage mich, was du mit deiner Wut machst?«
»Was ?«
»Mit deiner Wut.« Sie lächelte. »Vor ein paar Minuten ist sie dir übers Gesicht gelaufen. Wie äußert sie sich sonst?« Ich leckte über das Glas meiner Uhr, wo noch ein wenig Koks klebte. »Ich bin darauf spezialisiert, Mörder zu begutachten, um herauszufinden, ob sie verrückt sind. Ich höre ihnen zu, wenn sie schildern, wie sie ihre Opfer erdrosselt, erstochen oder erschlagen haben. Ich sehe mir die Leichen in der Pathologie an.«
»Findest du das schön?«
»Es ist mein Job. Ein komischer zwar, aber ein Job.«
»Jetzt mach mal' nen Punkt.«
»Was meinst du damit?«
»Wenn es dir nur auf einen Job ankäme, könntest du genauso gut Professor werden. Du müßtest dich nicht in Leichenhallen rumtreiben.«
Ich mußte lächeln, als ich sah, wie sehr sie darauf erpicht war, die Wahrheit zu hören: daß nämlich jeder, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, den Motiven von Mördern auf den Grund zu kommen, mit seinen Anschauungsobjekten einiges gemeinsam hat. »Vermutlich gefällt es mir.«
»Aber das reicht nicht.«
»Mir schon.«
»Stimmt nicht, sonst würdest du den Schnee nicht brauchen.« Sie nahm einen großen Schluck Scotch. »Wenn du meine Analytikerin werden willst, solltest du mir ein Honorar berechnen«, sagte ich. »Besonders angesichts deiner Fähigkeiten.«
Sie stellte ihr Glas auf die Kirchenbank, stand auf, öffnete die Knöpfe ihrer Jeans und ließ die Hose herunterrutschen. Dann stellte sie sich zwischen meine Beine. »Jetzt kannst du bezahlen.«
Ich strich mit den Händen über ihre schlanken Arme und über ihre Hüften, drückte ihren Hintern und vergrub meine Finger darin. Ihr Körper war jünger als Kathys, fester und weiter vom Tod
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