Kalt, kaltes Herz
als Hochstapler enttarnt. Rachels Lied – »Purple Rain« von Prince, oder wie dieser Idiot sonst heißt – fing gerade an. Sie kam mit einem weißen Spitzenhöschen und einer schwarzen Lederjacke auf die Bühne. Die Jacke hatte silberne Reißverschlüsse und eine verchromte Schließe. Ich war mir nicht sicher, ob die Höflichkeit gebot, ihr einen Fünfer hinzulegen oder nichts zu geben. Ich entschied mich für den Fünfer. Sie schlenderte zu mir herüber, blieb stehen und biß sich auf die Unterlippe. Das rotbraune Haar fiel ihr ins Gesicht. Dann kauerte sie sich mit gespreizten Beinen hin, so daß das Höschen mehr enthüllte als verbarg, und fuhr mit dem Finger über die Spitze. Nachdem sie sich umgedreht hatte, zog sie das Höschen bis auf die Schenkel hinunter und zeigte mir ihren Po. Am liebsten hätte ich sie angefaßt und geschmeckt. Vielleicht erinnerte sie sich an meine Bitte vom letzten mal, denn sie holte mit der Hand aus und versetzte sich einen Klaps auf den Hintern. Dann stand sie auf, ohne mein Geld zu nehmen, ließ ihr Höschen ganz herunterrutschen und tanzte zum anderen Ende der Bühne. Die Autohändler glotzten auf meinen Fünfer. »Kennen Sie die Kleine?«
Ich fühlte mich stark und wie etwas Besonderes.
Weil ich die Stripperin kannte.
Der Rest blieb der Phantasie der beiden überlassen. Ich zwinkerte ihnen zu.
Als die Bedienung sich näherte, bestellte ich noch einen Black Label ohne Eis.
Sie brachte ihn sofort, und ich griff nach meiner Brieftasche. »Tiffany hat gesagt, Ihre Drinks gehen heute auf Kosten des Hauses!« überbrüllte sie die Musik.
Meine Beziehung war am Ende. Mein Konto war abgeräumt. Mein Auto hatte einen ordentlichen Blechschaden. Ich kam im Fall Westmoreland nicht weiter. Vielleicht würde ich von Lynns Polizei, meinem zuverlässigsten Auftraggeber im letzten Jahr, nie wieder einen Job kriegen. Und ich brauchte dringend eine Drogentherapie. Doch als ich in diesem Moment in der Spannerecke saß, einen Rest Koks in der Tasche, einen Gratisscotch vor mir und ein Spitzenunterhöschen in Griffweite, konnte ich mir immer noch vormachen, daß mit mir alles in Ordnung war. Nicht nur in Ordnung – ich war der Allergrößte!
8
Rachels Auftritt war die letzte Nummer des Abends gewesen. Als ich sie von Revere nach Chelsea – einem heruntergekommenen Viertel nördlich von Boston – fuhr, roch es im Auto immer mehr nach Sex. Ich beobachtete sie von hinten, während sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg. Sie wohnte in der obersten Etage eines vierstöckigen Industriegebäudes am Ufer. Da sie kein Höschen trug und ihre Jeans im Schritt durchgescheuert waren, sah ich bei jeder Stufe, wie sich weiches Fleisch gegen die letzten Fäden des Stoffes preßte.
Verstandesmäßig wußte ich, daß das Hinterteil einer Frau nichts weiter ist als der Gluteus maximus – ein mit Becken und Steißbein verwachsener Muskel. Doch es ist mir noch nie gelungen, eine wissenschaftlich distanzierte Einstellung dazu zu gewinnen. Den Großteil meines Erwachsenenlebens habe ich auf der Jagd nach dieser kurvigen Körperstelle zugebracht.
Als Rachel die Eisentür zu ihrer Wohnung aufschob und hineinging, hatten Adrenalin und Testosteron die Herrschaft über meinen Verstand übernommen. Ich packte sie und schob sie an die Wand. Wir küßten uns. Unsere Zungen berührten sich, und wir knabberten einander an den Lippen. Als ich ihr die Jeans aufknöpfen wollte, schob sie meine Hand weg und zog statt dessen meinen Reißverschluß auf.
»Du brauchst es«, flüsterte sie. Sie leckte sich die Handfläche ab und schob ihre Hand in meine Boxershorts. Das Gefühl ihrer feuchten Haut an meiner ließ mich aufseufzen. Ich tastete mit der Zunge nach ihrem Ohr. »Entspann dich«, sagte sie und zog den Kopf weg. Dann bewegte sich ihre Hand immer schneller.
Ich lehnte den Kopf an ihre Schulter und schloß die Augen. Plötzlich wirbelte sie uns herum, so daß ich an die Wand gepreßt wurde. Als ich ihren Hintern berühren wollte, packte sie meine Hand und drückte sie herunter. Ich hätte sie mühelos überwältigen können, aber ich wollte es nicht. Hieß das, daß sie mich überwältigt hatte?
»Was hast du da?« wollte sie mit einem Blick auf mein verbundenes Handgelenk wissen.
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Für eine lange Geschichte haben wir keine Zeit. Beweg dich nicht. Ich möchte dein Gesicht ansehen.« Sie leckte sich wieder über die Handfläche und steckte die Hand zurück in meine Hose.
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