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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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entfernt.
    Sie trat ein paar Schritte zurück, damit ich sie betrachten konnte. Reglos stand sie im Mondlicht. Sie trug nichts weiter als ihr weißes, ärmelloses Rippen-T-Shirt. Durch das dünne rote Haar zwischen ihren Beinen sah ich ihre Hautfalten. Dann drehte sie sich um und ging zum Bett. Ich folgte ihr. Nachdem sie die drei Stufen des Podests hinaufgestiegen war, nahm sie einen zusammengerollten schwarzen Ledergürtel vom Nachttisch und legte ihn auf die Patchworkdecke. Sie kniete sich vor die Matratze.
    Mein Herz klopfte wie wild, als ich mit zitternder Hand nach dem Gürtel griff. Doch als nach dem ersten Schlag ein geröteter Striemen auf ihrer weichen Haut erschien, verflog meine Angst. Ich holte noch einmal aus, Rachels Stöhnen gefiel mir. Zitternd wartete sie auf den nächsten Hieb. »Sag bitte«, befahl ich.
    Sie sah mich an. »Bitte«, wimmerte sie.
    Ich schlug sie wieder.
    Sie drückte den Rücken durch und reckte den Hintern hoch. »Tu, was du willst.«
    Ich verließ Rachel um fünf Uhr morgens. Der Rover war mit Tau bedeckt. Im Auto kurbelte ich die Fenster herunter und atmete die Morgenluft ein. Da ich in den letzten beiden Nächten nur vier Stunden geschlafen hatte, war mir leicht schwindelig. Meine Beine fühlten sich bleischwer an. Ich hatte zwar noch etwa ein Viertelgramm in der Tasche, aber ich ließ es, wo es war. Ich wollte den Absturz bei vollem Bewußtsein erleben.
    Ich blickte zur Tobin Bridge hinauf. Die ersten Pendler fuhren bereits nach Boston. Wahrscheinlich ahnten sie nicht, daß unter ihnen im Hafen von Chelsea der Tag schon angefangen hatte. Ich beobachtete, wie drei Schleppkähne einen Tanker zu einer Treibstoffstation zogen. Obwohl ich nur das leise Dröhnen ihrer Motoren hören konnte, verriet mir die weiße Schaumspur hinter ihnen, mit welcher Kraft sie sich vorwärts bewegten. In der Surf Lounge hatte ich einmal eine Flasche Scotch mit dem Kapitän eines Schleppers geleert. Er hatte mich ausgelacht, als ich seinen Job als romantisch bezeichnet hatte. Der Charme eines Schleppkahns sei reine Illusion, hatte er mir erklärt. An Bord drohe wegen des unausgewogenen Verhältnisses zwischen Größe und Motorenkraft des Schiffes ständig Gefahr.
    Ich ließ das Auto an und fuhr den Broadway nach Osten zur Route16. Bevor ich mich im McLean anmeldete, mußte ich mir in Marblehead ein paar Kleider holen. Während meiner Tätigkeit auf der Entzugsstation in Tufts hatten wir Mitarbeiter darüber gewitzelt, wie voll es immer in jeder dritten Woche des Monats wurde: Dann hatten die Süchtigen nämlich ihren Sozialhilfescheck aufgebraucht und konnten sich keinen Stoff mehr leisten. Am nächsten Ersten war der Laden dann wieder wie ausgestorben. Inzwischen kam mir das nicht mehr komisch vor – denn auch ich selbst hatte mir so lange etwas vorgemacht, bis mir das Geld ausgegangen war.
    Ich fragte mich, ob Kathy wohl zu Hause war. Falls sie die ganze Nacht auf mich gewartet hatte, konnte ich mich auf eine Szene gefaßt machen. Denn wenn sie sich erst einmal in ihre Wut hineingesteigert hatte, machten vernünftige Einwände meinerseits die Sache nur noch schlimmer. Normalerweise trommelte sie dann auf die Wand ein oder trat ein paar Antiquitäten kaputt. Das letztemal hatte sie nicht einmal aufgehört, nachdem sie sich die Finger gebrochen hatte. Damals hatte sie sich von mir
The Pugilist at Rest
geliehen und in dem Buch ein Polaroid-Photo von Isabela Cadronale gefunden, einer zweiundzwanzigjährigen brasilianischen Journalistin, die wir in St. Croix am Strand kennengelernt hatten. Auf dem Photo trug Isabela nichts weiter als eine Fliege – meine Fliege. Kathy hatte mit ihrer geschwollenen Faust weiter auf die Wand eingeprügelt, als ob sie keine Schmerzen spürte. Ich mußte sie fast eine Viertelstunde festhalten, bis ihr eifersüchtiger Zorn verraucht war. Schließlich fing sie an, lautlos zu weinen, und danach war Sex mit ihr wie immer am schönsten.
    Warum hatte ich wegen meiner Seitensprünge kein schlechtes Gewissen? Nicht einmal dann, wenn ich Kathys salzige Tränen auf meiner Zunge spürte. Und warum ließ sie sich immer wieder von mir verletzen? Band uns die Liebe aneinander oder die Aussicht, daß ich ihr auch in Zukunft weiter wehtun würde?
    Ted Pearson, mein Psychiater, hatte die Theorie vertreten, mein Alkoholkonsum, Drogenmißbrauch und Frauenverschleiß hingen damit zusammen, daß ich tief in meinem Innersten keine wirkliche Nähe zulassen könne. Doch ich hatte ihm

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