Kalt, kaltes Herz
von Lucas fern, bis diese ganze Sache aufgeklärt ist.«
Sie schob mich zur Seite. »Jawohl, Daddy«, höhnte sie. »Und du hältst dich fern von der kleinen Nutte aus dem Lynx Club.« In diesem Moment klingelte das Telephon auf dem Nachttisch. Kathy nahm den Hörer ab. »Ja?« fragte sie. Sie lauschte kurz, dann drückte sie den Knopf für die Freisprechanlage und legte den Hörer wieder auf.
»Frank? Sind Sie da?« fragte Emma Hancock.
Die Frau hatte ein gutes Timing. »Ich bin hier bei Kathy im Zimmer«, antwortete ich.
»Tja ... also gut. Wir haben den Mann.«
»Sie haben ihn gefunden?«
»Nicht ganz.«
»Was soll das heißen?«
»Er hat uns gefunden. Vor etwa einer Stunde kam er geschniegelt und gebügelt aufs Revier marschiert und setzte sich in mein Büro. Weil ich noch nicht wieder da war, fragte ihn Officer Zangota, was er sich einbilde und wollte ihn wegschicken. Sie sind sich ganz schön in die Haare geraten. Aber dann tönte unser Dr. Jekyll: ›Ich bin ein Mordverdächtiger!‹ Einfach so. Zangota kriegte fast einen Herzanfall, bevor er ihm die Handschellen anlegen konnte.«
»Warum haben Sie mich nicht gleich gerufen?«
»Ich wollte ihn mal kurz in seiner Zelle besuchen. Nur der Doktor und ich und ein paar meiner jungen Rekruten.« Ich sah Kathy an. Auf ihrem Gesicht malten sich gleichzeitig Angst und Empörung. »Um Gottes willen, Emma«, protestierte ich. »Sie können doch nicht ...«
»Sie sollen den Namen des Herrn nicht verunglimpfen!« fiel sie mir ins Wort. »Wir sollten ihm vielmehr danken.«
»Ich bin gleich da.«
»Kein Grund zur Eile. Bei Dr. Lucas besteht kein Verdacht auf geistige Unzurechnungsfähigkeit. Aber Sie sind mir jederzeit willkommen.« Damit hängte sie ein.
Kathy ging zur Tür.
»Wo willst du hin?« fragte ich.
»Das geht dich nichts an.« Sie blieb stehen und wandte sich um. In ihren Augen schimmerten wieder Tränen. »Du weißt, daß ich vor ein paar Tagen eine gute Freundin verloren habe.« Sie holte tief Luft, um sich zu fassen. »Du könntest deinen verletzten Stolz wenigstens so lange vergessen, bis du den wahren Mörder gefunden hat.« Sie stürmte aus dem Zimmer und eilte den Flur entlang.
Ich hörte, wie sie unten ihre Sachen zusammensuchte. Ich hätte ihr nachgehen können, doch es bestand wenig Aussicht, daß sie mich anhörte. Mir fielen Ben Carlsons Worte ein, daß Sarah sich wieder mit Lucas eingelassen hatte, obwohl die Beziehung angeblich schon längst zu Ende gewesen war. Glaubte ich wirklich, ich sei besser als Ben und könnte Kathy Trevor vergessen machen? Welchen Zauber er auch ausüben mochte, auf sie schien er immer noch zu wirken.
Die Eingangstür knallte zu. Vom Fenster des Arbeitszimmers aus sah ich, wie Kathys Volvo die Einfahrt hinunterrollte und in der Nacht verschwand. Dann ließ ich mich in den Sessel am Fenster sinken. Die Lederkissen schmiegten sich an meinen nackten Körper. Ich nahm mir aus der Kristallschale auf dem Beistelltisch eine Marlboro, zündete sie an und starrte auf die in der Dunkelheit rot schimmernde Glut. Dann sog ich meine Lungen voll Rauch und stieß ihn durch Nase und Mund wieder aus.
Emma Hancock hatte recht; es gab keinen Grund, sofort zum Revier zu fahren. Niemand würde annehmen, Lucas habe Sarah und Monique während eines psychotischen Schubs umgebracht. Also konnte die Polizei jederzeit sein Geständnis aufnehmen, wenn er eines ablegen wollte. Und ich hatte nicht die geringste Lust, mir schon so früh anzuschauen, wie Emma Hancock und ihre Gorillas Lucas in seiner Zelle zugerichtet hatten.
Ich stellte mir vor, wie er zusammengekrümmt auf der Pritsche lag, mit blutigem, geschwollenem Gesicht, mit blauen Flecken auf Armen und Beinen, Spuren von Emma Hancocks Gummiknüppel. Jedes Schlüsselrasseln konnte auf eine neue Prügelorgie hindeuten. Vom Fahrersitz seines Ferrari war er so weit entfernt wie nie zuvor. Ich zog an meiner Zigarette und blies den Rauch an die Decke. Warum reizte es mich nicht, mir das Häufchen Elend anzusehen? Wieso nutzte ich nicht die Gelegenheit, um Lucas zu besuchen, wenn er sich nicht hinter seinem Narzißmus verstecken konnte, wenn er verletzlich war wie nie zuvor? Hatte er nicht seinen Opfern Schmerzen und noch Schlimmeres zugefügt? Hatte er mir nicht einen geliebten Menschen weggenommen?
Die letzte Frage bereitete mir Unbehagen. Ich wollte mir sicher sein, daß Kathy mit ihrem Vorwurf unrecht hatte und ich mich nicht von Rachegelüsten leiten ließ, als ich die
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