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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Ermittlungen auf Lucas lenkte. In Gedanken ging ich noch einmal die gesicherten Fakten durch. Lucas war ein Frauenhasser und zweifellos zu Gewalt fähig. Außerdem stand fest, daß er sexuelle Kontakte zu Sarah und Monique gehabt hatte. Beiden Frauen hatte er die Brust operiert. Wie ein Geier hatte er die Beziehung zwischen Arzt und Patientin ausgenutzt. Und er war nur wenige Stunden vor ihrem Tode mit Monique zusammen gewesen. Er hatte ihren Goldring.
    Soviel wußte Emma Hancock nicht, denn von meinem Gespräch mit Ben Carlson in Texas hatte ich ihr nicht erzählt. Trotzdem, ihr hatte das vorhandene Material gereicht. Warum also zog sich mir der Magen zusammen? Konnte ich nicht glauben, daß die Verstümmelungen das Werk eines sonst so peniblen Chirurgen waren? Oder wollte es mir nicht in den Kopf, daß ein Mann, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, Frauen aufzuschneiden, alles aufs Spiel setzte, weil es ihm Lust bereitete, sie zu verstümmeln?
    Ich sog einen halben Zentimeter Tabak in die Lungen, schüttelte den Kopf und blinzelte in die Dunkelheit. Dann schaltete ich die Stehlampe an und setzte mich auf. Als ich die Zigarette ausdrückte, fiel mein Blick auf den Stapel Trixie-Belden-Bücher neben dem Aschenbecher auf dem Beistelltisch. Wahrscheinlich hatte Kathy letzte Nacht nicht schlafen können und sich mit Lesen abgelenkt. Ich griff nach einem der Bände. Als ich den Titel las, mußte ich lächeln.
Das Geheimnis des Grashüpfers.
Ich schlug das Buch auf und überflog ein paar Sätze.
    Die ganze Familie saß vor dem prasselnden Kaminfeuer im Wohnzimmer, machte Gesellschaftsspiele, erzählte sich lustige Geschichten und sang Lieder. Mrs. Belden gab eine Reihe von Zungenbrechern zum besten, die alle in Erstaunen
versetzten. Sie forderte die j
ungen Leute zum Zweikampf heraus, und schließlich bogen sich alle vorLachen.
    Später kuschelte sich Trixie in ihr Bett und lauschte dem Heulen des Sturms. Armer alter Hoppy, dachte sie schaudernd. Ich hoffe, der Sturm kann ihm nichts anhaben.
    Wahrscheinlich hatte es Kathy in ihrer durch Tragödien überschatteten Kindheit getröstet, von Trixies idyllischem Leben zu lesen. Ich ließ das Buch in den Schoß sinken. Wohin war sie wohl geflüchtet? Sie konnte ohne weiteres in einem der Zimmer schlafen, die den Ärzten mit Bereitschaftsdienst im Krankenhaus zur Verfügung standen. Oder aber sie saß bei meiner Mutter und ging mit ihr die ganze Nacht lang die Liste meiner Charakterfehler durch. Möglicherweise war sie aber auch zum Polizeirevier gefahren, um Lucas zu besuchen – von ihm angezogen wie die Motte vom Licht. Dabei fiel mir Kathys Schwester ein, die einem Brand zum Opfer gefallen war. Vielleicht litt auch Kathy unter den Schuldgefühlen der Überlebenden, jenem psychischen Mechanismus, der Westmorelands Leben zerstört hatte. Wenn sie überzeugt war, daß eigentlich sie an Stelle ihrer Schwester hätte sterben müssen, konnte es gut sein, daß sie unbewußt das Verderben suchte – selbst heute noch.
    Mir wurde klar, daß ich Kathy nie genau nach ihren Gefühlen in jener Nacht gefragt hatte und deshalb eigentlich kaum etwas darüber wußte. Ich wußte nicht, ob sie aus dem Fenster gesprungen oder von irgend jemandem aus den Flammen gerettet worden war. Ich wußte nicht, wer sich sonst noch im Haus befunden hatte. Ich hatte keine Ahnung, ob sie sich noch an die Beerdigung erinnerte, ob sie Dinge ihrer Schwester aufbewahrt hatte oder ob sie glaubte, daß ihre Schwester im Himmel war. Noch ein schwarzes Loch in unserer Beziehung. Wie hatte ich nur so lange mit einem Menschen zusammenleben und dabei so eine große Distanz wahren können?
    Ich mußte etwas unternehmen, um meine Angst in Schach zu halten. Also ging ich zu der kleinen Jugendstilbar aus Walnußholz, die Kathy und ich auf einem Antiquitätenmarkt in Vermont aufgetrieben hatten. Wenn man das Rollfach aufschob, erblickte man eine Anzahl verchromter Flaschen und etwa ein Dutzend Gläser. Ich griff nach dem zehn Jahre alten schottischen Whisky und schenkte mir einen Doppelten ein. Allein der Geruch hatte etwas Beruhigendes. Schluck für Schluck, doch ohne zu atmen, trank ich das Glas leer. Der Alkohol wärmte Mund und Kehle und dann Schlund und Magen. Ich konnte fast spüren, wie mir das Zeug von den Eingeweiden in die Blutgefäße fuhr, die es in den ganzen Körper transportieren würden. Ich seufzte tief auf, ließ den Kopf hängen und wartete darauf, daß ich endlich ruhiger wurde. Fast war es soweit

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