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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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mich an seine Freunde verkauft.«
    Einfach so.
Mein Onkel hat mich an seine Freunde verkauft.
Ich mußte mich zwingen, weiter mit den Nägeln über ihren Arm zu streichen.
    »Ich war damals dreizehn. Meine Eltern hatten mich bei ihm gelassen, als sie für zwei Monate verreisen mußten.«
    »Warum haben sie dich nicht mitgenommen?«
    »Wegen der Schule. Sie waren bei General Electric in Lynn angestellt und sollten in New Jersey an einer Fortbildung oder so was teilnehmen. Ich war in der achten Klasse, und sie hielten es wohl für besser, wenn ich zu Hause blieb.«
    »Aber es war nicht besser.«
    »Nein.« Sie holte tief Luft. »Die ersten Wochen waren in Ordnung, aber dann wurde mein Onkel so ... so komisch. Er kam in mein Zimmer, wenn ich mich anzog, oder steckte den Kopf durch die Badezimmertür, wenn ich duschte. Immer hatte er eine faule Ausrede parat – er dachte, ich hätte ihn gerufen, oder er habe nicht gewußt, daß ich da drinnen war. Doch mir war klar, daß er log.«
    »Hattest du Angst?«
    »Das kam erst später.« Sie strich mit dem Finger über die Narben. »Er veranstaltete bei sich zu Hause Pokerabende für seine Arbeitskollegen. Jeden Dienstag kamen vier Mann.«
    »Was haben sie beruflich gemacht?«
    »Das habe ich vergessen. Warum?«
    »Einfach so. Weil du dich an so viele Einzelheiten erinnerst.«
    Sie rieb sich die Augen. »Irgendwas auf dem Bau. Wohnungsbau wahrscheinlich. Nein, ich glaube Straßen. Oder Brücken.« Ich sah zur Tobin Bridge, die sich über den Mystic River spannte. Irgendwo am Horizont entdeckt man immer Spuren der Vergangenheit.
    »Wenn sie spielten, tranken sie Unmengen, und dann wurden sie laut. Ich konnte nicht schlafen. Deshalb las ich im Bett, bis sie wieder gingen. Aber eines Abends war ich erkältet und furchtbar müde. Obwohl es schon nach Mitternacht war, lachten und grölten sie. Ich ging in die Küche, wollte meinen Onkel fragen, ob sie nicht ruhiger sein könnten.« Sie blinzelte in die Dunkelheit. »Es herrschte ein schreckliches Chaos, überall lagen Bierflaschen herum. Und auf dem Tisch ein Haufen Geldscheine.«
    Vor meinem inneren Auge sah ich Rachel, wie sie nackt auf dem Laufsteg im Lynx Club tanzte und Geldscheine vom Boden aufsammelte.
    »Sie verstummten auf einen Schlag und glotzten mich an. Ich war im Nachthemd. Mein Onkel fragte mich, was los sei, doch das konnte ich ihm ja nicht vor all den Männern sagen. Deshalb erklärte ich, ich sei durstig, nahm mir ein Glas Wasser und ging wieder ins Bett.«
    Ich nickte.
    »Ein paar Minuten später öffnete er die Tür zu meinem Zimmer. Weil das Licht vom Flur hereinfiel, konnte ich sein Gesicht kaum sehen, doch sein Blick war anders als zuvor. Als würde er mich nicht kennen. Als sei ich eine Sache, kein Mensch.«
    »Hat er was gesagt?«
    »Er hat mich nur angesehen und ist dann wieder rausgegangen. Ich dachte, er sei böse auf mich, weil ich in die Küche gekommen war. Eigentlich verstand ich nicht, warum, es sei denn, er wollte verhindern, daß meine Eltern von der Sauferei und dem Pokerspielen erfuhren. Ich versuchte zu schlafen. Aber dann ging die Tür wieder auf.«
    Ich umschloß ihre Hand.
    »Es war einer der anderen Männer. Ein Dicker mit langen schwarzen Koteletten. Er kam auf mich zu. Als ich mich aufsetzte, blieb er stehen. Es schien ihm peinlich zu sein.« Sie verdrehte die Augen. »Ich dachte, er sei aus Versehen in mein Zimmer gekommen, und sagte ihm, die Toilette sei am anderen Ende des Flurs.«
    Ich schwieg.
    »Er stand da, als hätte er mich nicht gehört. Dann sah ich meinen Onkel in der Tür stehen. Und er ... äh ...« Ich ließ die Finger über ihren Arm gleiten.
    »Er sagte: ›Nun mach schon, Jimmy! Schließlich hast du dafür bezahlt.‹«
    Meine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich habe versucht, mich zu wehren, aber er war einfach zu stark. Also habe ich mich nicht mehr gerührt.«
    »Was hättest du sonst auch tun können?«
    »Dann kam einer nach dem anderen. Sie stanken alle nach Bier. Zum Schluß stank das ganze Zimmer.« Ich kannte den Geruch aus dem Lynx Club. »Hat dein Onkel dich auch vergewaltigt?« fragte ich.
    »Er hat zugesehen. Er war der Aufpasser.« Sie schluckte schwer. »Einer der Männer wollte mich mit einer Flasche bearbeiten. Mein Onkel hat ihm gesagt, das macht zehn Dollar extra.«
    »Mit der ...«
    »So ging das zwei Wochen ohne Pause.« Sie schüttelte den Kopf, dann zuckte sie die Achseln. »Und danach konnte mich nichts mehr überraschen.«
    »Hast du es deinen

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