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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Eltern erzählt?«
    »Ja, ein paar Tage nach ihrer Rückkehr.«
    »Und ...«
    »Sie haben mir nicht geglaubt. Onkel Paul hatte sich bereits bei ihnen beklagt, ich hätte ihm keine Ruhe gelassen, grundlos in der Nacht geschrien. Außerdem hätte er mich erwischt, wie ich mit einem Jungen aus der Schule herumknutschte. Deshalb glaubten sie, ich hätte ein schlechtes Gewissen und bräuchte einen Sündenbock.« Sie strich sich über die Narben. »Irgendwann habe ich es dann so versucht.«
    »Haben sie denn nicht dafür gesorgt, daß du Hilfe bekommst?«
    »Sie brachten mich zu einem Psychiater.«
    »Und hat der dir geglaubt?«
    »Er hat mir Schlaftabletten verordnet. Vor allem aber suchte er bei mir ständig nach Anzeichen von Schizophrenie.« Meine Kehle war wie zugeschnürt. »Wie furchtbar«, sagte ich. »Hat dir denn niemand zugehört?«
    »Ich habe dann nicht mehr darüber geredet. Der Psychiater wollte mich schon einweisen lassen. Er hat mich auf Thorazin gesetzt. Als ich dann endlich den Mund gehalten habe, dachte er, mein Zustand hätte sich gebessert.«
    »Wo ist dein Onkel jetzt?«
    »In Orlando. In Rente.«
    Ich seufzte laut. »Die Schweinehunde kommen meist ungeschoren davon.«
    »Die hatten halt früher ihr Päckchen zu tragen. Der Mensch ist nicht von Natur aus schlecht. Mein Onkel und seine Freunde haben nur den Schmerz weitergegeben, den andere ihnen zugefügt haben.«
    »Diese Leute tun dir leid?«
    »Wenn es mir gutgeht. Wenn ich mich schlecht fühle, möchte ich sie aufspüren und für alles, was sie mir angetan haben, büßen lassen. Das ist der schwerste Teil am Gesundwerden.«
    »Was?«
    »Sich klarzumachen, daß es eigentlich niemanden gibt, den man hassen kann.«
    »Und die Tanzerei? Du hast gemeint, das gehört auch zum Gesundwerden.«
    »Ich bin dabei nackt, aber wie gesagt, keiner darf mich anrühren. Ich bewege mich so frei, wie ich möchte. Die einzige Möglichkeit, die den Männern bleibt, ist – wie heute imWäscheladen –, selbst Hand anzulegen.«
    »Eine krasse Art, dich deiner Angst zu stellen.«
    »Die Angst ist dabei wie verflogen. Du solltest es mal ausprobieren. Vielleicht kannst du dann nachts sogar schlafen.« Sie hob meine Hand an die Lippen und küßte sie. »Wovor hast du Angst?«
    Ich brauchte einige Zeit, um darüber nachzudenken, und noch länger, bis ich soweit war, es auszusprechen. »Ich habe Angst vor dem Teil meiner Persönlichkeit, der sich an die Demütigungen in der Kindheit erinnert«, sagte ich. »Dem Teil, der die Schritte meines Vaters auf der Treppe hört und das blindwütige Klatschen seines Gürtels auf meinem Körper.«
    »Du siehst aber gar nicht verängstigt aus. Eher wütend.«
    Und dann fiel es mir wieder ein, ganz unspektakulär, wie es so oft bei tiefen Erkenntnissen geschieht. »Am meisten fürchte ich wohl den Teil in mir, der immer noch so voller Wut ist, daß ich meinen Vater umbringen könnte.« Sie schien sich zu entspannen. »Wie?« fragte sie.
    »Was, wie?«
    »Wie würdest du ihn umbringen?«
    Ich kicherte verlegen wie ein kleiner Junge.
    »Ich meine es ernst. Du kennst ja einige Mörder. Wie würdest du deinen Vater umbringen? Mit dem Messer? Mit einer Pistole?«
    »Was weiß ich?« Ich mußte grinsen. »Und wie würdest du deinen Onkel umbringen?«
    »Du willst also nicht als erster mit der Sprache rausrücken? Ist in Ordnung.« Sie schwieg einen Moment lang. »Ich würde ihn ans Bett ketten und vergiften. Dann würde ich dableiben, während es ihm immer dreckiger geht. In meiner Vorstellung hat er Kotze im Gesicht und in den Haaren, und aus seinen Augenwinkeln sickert Blut. Bevor er seinen letzten Atemzug tut, schneide ich ihm die Pulsadern auf.«
    »Ich würde den Gürtel nehmen«, sagte ich. »Seinen Gürtel.« Ich
    stellte mir vor, wie der Lederriemen seinen Hals zuschnürte.
    Sie beugte sich vor und strich mit den Fingern über den Nacken.
    »Hier.«
    Ich nickte.
    »Du würdest ihn zuziehen, bis dein Vater keine Luft mehr kriegt.«
    Mein Herz schlug rascher.
    »Auch noch, wenn er zusammensackt.«
    Ich biß die Zähne zusammen. »Ich würde sogar weitermachen, wenn er mit den Händen seinen Hals umklammert, um sich zu befreien.« Fast wurde mir schwindlig. »Ich würde ihn durch die Gegend schleifen, bis er nur noch keucht. Dann würde ich den Gürtel lockern, damit er Luft bekommt. Aber nur ein paar Atemzüge lang, und dann ziehe ich den Riemen wieder zu.«
    »Und du strangulierst ihn, bis er zu schreien versucht.«
    »Das wäre mir

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