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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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halbem Weg zwischen Norwegen und dem Nordpol. Gletschereis, so weit das Auge reicht. Nicht mal die Wikinger hatten Lust, sich da niederzulassen, und die Inuit, die weiß Gott einiges abkönnen, machen seit jeher einen großen Bogen um die Inseln. Ehrlich, vom Ende der Welt zu sprechen ist keine Übertreibung, ich weiß, wovon ich rede. Die offizielle Bezeichnung ist übrigens Svalbard, kalte Küste. Das ist wikingisch. Die Hauptstadt Longyearbyen ist kaum mehr als ein Kaff, die meisten der zweitausend Einwohner leben dort. Die Norweger haben sich den ganzen Archipel unter den Nagel gerissen, er gehört ihnen aber nicht, sondern steht bloß unter ihrer Verwaltung. Trotzdem behandeln sie Spitzbergen wie das eigene Hoheitsgebiet und putzen die Stadt systematisch heraus – als modernes Tor zur Arktis und strategischen Außenposten. Prinzipiell kann sich jeder ohne Pass- oder Visaformalitäten auf Spitzbergen niederlassen. Für Ordnung sorgt der Sysselmann, so eine Art Gouverneur und oberste Autorität. Sobald wir gelandet sind, werden wir ihn aufsuchen, kein Weg führt an ihm vorbei, man braucht für alles und jedes seine Genehmigung.«
    »Da oben ist es frisch, oder?«, fragte Packer und rückte näher an die Heizung heran.
    »Wenn du wissen willst, wie frisch, steck deinen Kopf ins Eisfach und warte zehn Minuten.«
    »So schlimm?«
    »Im Winter schon.«
    »Jetzt ist Winter.«
    »Eben. Trotzdem, es ist schön.«
    »Vielleicht, wenn man ein Fell trägt.«
    »Würde dir stehen.«
    Ihre Art, auf die unschönen Seiten des Lebens mit Witz und Ironie zu reagieren, gefiel ihm. Packer kannte nicht viele Frauen, die das fertigbrachten.
    Außer Leonora.
    »Bin gleich wieder da«, sagte Jenna und ging in Richtung der Toiletten davon.
    Packer nutzte die Gelegenheit und rief Eduardo an, erzählte ihm, wo er den Roller abgestellt hatte.
    »Mit dem Anlasser stimmt was nicht«, fügte er hinzu.
    »Hat es noch nie«, sagte Eduardo. »Damit kommt Filippo zurecht. Willst du Leonora sprechen?«
    »Das hat Zeit, bis ich zurück bin.«
    »Sie bringt mich um, wenn ich ihr sage, dass du angerufen hast, und ich hab’s ihr nicht erzählt.«
    »Vielleicht kommst du lebend davon.«
    »Da kennst du die italienischen Frauen schlecht. Wenn ihr Herz bubbert, kennen sie weder Freunde noch Verwandte. Sie wollen dich mit Haut und Haaren, das macht sie ja so begehrenswert. Ach, wenn ich an Silvana denke. Sie war so schön und zärtlich und mutig und so wunderbar, aber wenn wir uns gestritten haben, gab es kein Pardon.«
    Seine Stimme wurde leiser. Silvana war seine Frau gewesen, eine Kindergartenliebe. Ein Verkehrsunfall hatte die beiden auseinandergerissen, vor dreizehn Jahren. Silvana wollte nach Italien, um übers Wochenende ihre kranken Eltern in Triest zu besuchen. Auf der Autobahn hinter dem Tauerntunnel – peng! – rammte ein viel zu schneller Lastwagen ihren kleinen Fiat und putzte ihn von der Straße.
    Seitdem kümmerte sich der alte Mafioso allein um seine Töchter, eine heldenhafte Leistung, die Packer an ihm noch vorbehaltloser bewunderte als seine Saltimbocca.
    Um ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken, sagte Packer, er solle sich wieder um seine Gäste kümmern, ihnen einen Grappa ausgeben oder einen Ramazzotti. Persönliche Wertschätzung wird immer honoriert, sorgt für Geselligkeit und schafft Vertrauen. Wohlfühlatmosphäre. Da darf auch mal die Dorade im Ofen etwas verschmurgeln, gebauchpinselte Gäste kommen immer wieder.
    »Und über Nacht, Eduardo, hast du ein superteures Restaurant und kannst dich vor Reservierungen kaum retten. Eins von der Sorte, wo man zum Klo geht, und wenn man zurückkommt, sitzt schon einer auf deinem Platz.«
    Jennas Augen schweiften hierhin und dahin, als sie sich wieder auf den Hocker setzte. Mit einem erwartungsvollen Lächeln sagte sie: »Jetzt bist du dran. Ich höre?«
    »Deine Augen führen ein Eigenleben«, sagte Packer.
    »Dann sollte ich sie wohl besser im Blick behalten. Was machen meine Augen denn so, wenn ich nicht auf sie aufpasse?«
    »Sie sind blau, sie sind sinnlich und stark, und ich glaube, du magst deine Augen. Irgendwie sind sie immer unterwegs.«
    Jenna zögerte, hing eine Sekunde hinter sich selbst her und erwiderte: »Ich bin nicht stark. Ich vertraue mir nicht. Kein bisschen. Ich zweifle an meiner Meinung. Ich bin gefügig und leicht manipulierbar. Klingt schrecklich, nicht?«
    »Das hätte Carolin sagen können«, sagte Packer.
    »Was glaubst du, warum Caroline und ich uns so

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