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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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nach den mahnenden Worten schöpfte sie eine Kelle Wasser aus dem Meer und trank es in gierigen Zügen. Gleich darauf erbrach sie einen stinkenden Schwall ins Boot und krümmte sich auf dem Boden. Das Salz trocknete ihren Körper noch schneller aus, sie dehydrierte und starb innerhalb weniger Stunden.
    Die Sonne verdunkelte sich und kündigte den heiß ersehnten Regen an. Als er endlich einsetzte, ein Schwall, der aus dem Himmel stürzte, fingen sie jeden Tropfen in Töpfen und Tassen auf, doch es reichte bei Weitem nicht.
    Das Meer war grau und rau, als es wieder hell wurde. Der Wind blies dicke weiße Wolken über den blauen Himmel, es sah nach einem guten Tag aus. Die Männer begannen mit ihren Händen Fische zu fangen. Die Fische verteilten sie unter den Flüchtlingen, die sie roh herunterschlangen.
    Zeitlebens würde sich Packer daran erinnern, dass es 6.30 Uhr war, als die Piraten aus dem Dunst auftauchten und in einem schnellen Motorboot auf sie zurasten. Die billige Plastikuhr, die ihm seine Mutter auf dem Ben-Thanh-Markt in Saigon gekauft hatte, war neben zwei Paar Shorts und einem Pullover sein einziger Besitz.
    Die Hai long war für die Piraten eine leichte Beute. Der Diesel für den Außenborder war ihnen längst ausgegangen, seitdem ruderten die Männer in Wechselschichten, immer zu viert, jeweils zwei Stunden lang. Rund um die Uhr.
    Die Piraten gingen längsseits. Sie stanken nach Bratfett. Sie schwangen Macheten und Hämmer und brüllten, als wären sie auf der Pferderennbahn. Zwei von ihnen hatten Pistolen, einer fuchtelte mit einer riesigen Gartenschere herum.
    Drei junge Männer versuchten, sie aufzuhalten. Sie wurden niedergemetzelt. Der Erste, den sie töteten, war Cousin Duc. Weil er der Mutigste war.
    Phong machte sich so klein, wie er konnte, indem er die Knie anzog, die Arme darumschlang und den Kopf darauflegte. Aus den Augenwinkeln starrte er die Piraten an, während sie taten, wofür sie gekommen waren.
    Sie redeten miteinander in einer fremden Sprache, die er noch nie gehört hatte. Aber interessierte ihn das überhaupt? Er, der jüngste Passagier auf der Hai long , war viel zu müde und zu hungrig, um Angst zu haben. Teilnahmslos sah er zu, wie die Piraten einem Greis zwei Goldzähne aus dem Mund brachen und begannen, nachdem sie Ringe, Uhren, Ketten, Geld und Ausweise eingesammelt hatten, die Mädchen und Frauen zu vergewaltigen. Mit kleinen Eruptionen keuchenden Gelächters feuerten sie sich gegenseitig an.
    Es dauerte lange.
    Die schamvoll abgewandten Gesichter der hilflosen Männer, die Frauen, die ihre Köpfe in den Händen verbargen – niemals würde Phong dieses Bild vergessen.
    Was danach geschah, sah er nicht mehr, weil er mit geschlossenen Augen hinter dem Rücken des Mannes ohne Goldzähne kauerte, wohin er sich geflüchtet hatte, als einer der Piraten Duyen packte und zu Boden zerrte. Als Phong die Augen wieder aufschlug, war Duyen nicht mehr da.
    Die Piraten gingen von Bord und drehten die Motoren ihres Bootes auf. Binnen Minuten verschwanden sie aus dem Blickfeld der Flüchtlinge. Der Alte erzählte Phong später, was mit seiner Cousine Duyen passiert war: Über Bord geworfen, mit zwei anderen Mädchen, von denen sie genug hatten. Tut mir leid, mein Kleiner.
    Jetzt war Phong allein, und niemand hatte ihm beigebracht, wie man stirbt.
    Nur sechzehn der vierundzwanzig Passagiere überlebten den Überfall auf die Hai long . Diejenigen, die es geschafft hatten, waren entweder zu alt oder zu jung, allein deshalb waren sie verschont worden. Wahrscheinlich würden sie sowieso keinen weiteren Tag auf dem Meer überleben.
    Die Alten begannen Abschied zu nehmen.
    16
    Das alles erzählte Packer Jenna, die ihn kein einziges Mal unterbrach, obwohl sie viele Fragen gehabt hätte.
    »Das Leben ist nicht fair«, sagte sie jetzt.
    »Warum sollte es mit dem Tod anders sein?«, erwiderte Packer.
    Die Kellnerin räumte die leeren Gläser ab.
    »Eigentlich haben wir schon seit einer halben Stunde geschlossen«, sagte die Kellnerin. »Wenn ihr noch woandershin wollt, um die Ecke sind ein paar ziemlich nette Clubs.«
    »Wollen wir noch wohin?«, fragte Packer, seinen Blick in Jennas Blick verschränkt. Ihre Pupillen waren im matten Licht geweitet.
    »Rate mal«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht. Warum gehen wir nicht zusammen nirgendwohin?«
    »Sehe ich so verzweifelt aus?«
    Sie sah Packer herausfordernd an.
    »He, das war ein Scherz. Sei lieb, trink aus.«
    Packer sagte: »’türlich.«
    Er

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