Kalt kommt der Tod (German Edition)
Teetasse in der Hand.
»Mann, das Polster ist der reinste Treibsand, Hilfe«, sagte Packer.
»Dann bemüh dich, nicht unterzugehen.«
Packer fuhr fort: »Ich war sehr jung, das war ein Vorteil. Darf ich rauchen?«
»Mach ruhig«, sagte Jenna. »Zünde mir auch eine an, bitte.« Und dann: »Ihr seid eine komische Familie.«
Packer meinte, dass könnte selbst Stevie Wonder sehen.
Im Augenblick war er sehr bereit, sich von seinem Instinkt leiten zu lassen, wohin auch immer, zugleich traute er seinen Gefühlen nicht über den Weg.
Als der Duft der beiden Thai-Sticks, die zwischen Packers Lippen klebten, aufstieg, fragte Jenna: »Ist das Marihuana?«
»Schön wär’s.«
Sie rauchten schweigend.
»Ekelhaft«, sagte Jenna. »Hoffentlich kriege ich den Geruch wieder raus.«
»Erzähl mir von dir und Carolin«, forderte Packer sie auf.
»Ich bin nicht sicher, ob ich es richtig sagen kann.«
»Heraus damit. Hier gibt es keine Zeugnisse.«
Jenna sagte, zuerst seien sie Konkurrentinnen gewesen.
»Hab sie nicht besonders gemocht, jedenfalls am Anfang, als ich dachte, sie hat es auf meinen Freund abgesehen, Freddy, ein Holländer mit Jesusbart, der ein halbes Jahr mit uns am Alfred-Wegener-Institut gearbeitet hat. Sein Fachgebiet waren Mösen und Meeresbiologie, genau in dieser Reihenfolge. Aber wer Carolin kennt, weiß, dass sie nicht der Typ ist, der einer anderen den Kerl ausspannt. Um das zu begreifen, brauchte ich jedoch eine Weile. Als es so weit war, lud ich sie zum Essen ein, weil sie sehr allein zu sein schien. Kein Freund, keine Freundin, sie lebte nur für ihre Arbeit. Ich wusste nichts von ihr, außer dass sie ein hübsches Mädchen mit einem Hang zur Trübsal war. Mein Eindruck war, sie hatte eine Menge interessanter Dinge ausgelassen in ihrem Leben: Alkohol, Ausschweifungen, Leichtsinn, Abenteuer, Männer. Die Verlorene, die einsame Carolin, die zwischen den Stühlen saß. An Heilige bin ich gewöhnt, meine Schwester war eine. Sie flog nach Darfur im Sudan, um den Hungernden zu helfen, nach drei Monaten kehrte sie tief verzweifelt zurück und nahm sich ein paar Wochen später das Leben. Es wurde Zeit, dass Carolin ein paar positive Erfahrungen sammelte, damit ihr nicht das gleiche Schicksal widerfuhr. Deshalb hab ich mich um sie gekümmert, ihr gezeigt, was Leben ist.«
»Bist du eine Expertin auf diesem Gebiet?«
»Zu dieser Einschätzung könnte ich mich hinreißen lassen.«
»Hat es Carolin gefallen. So, wie es dir gefällt?«
»Das geht nur Carolin und mich etwas an, und wenn es anders wäre, kenne ich dich noch nicht lange genug, um es dir zu erzählen.«
»Vielleicht wirst du das müssen. Egal wie, ich will und werde sie nämlich finden, deshalb muss ich alles über sie wissen.«
»Eines Tages bat sie mich, ihre Trauzeugin zu sein. An einem Wettschalter auf der Pferderennbahn in der Vahr hatte sie an einem Sonntagnachmittag nach langer Zeit einen Jugendfreund wiedergetroffen. Meine Schuld, ich hatte sie mitgenommen, um ihr zu zeigen, wie viel Spaß es macht, auf Pferde zu setzen, auch wenn man ständig verliert. Diese Minuten des Fieberns und Zitterns, während die Pferde Kopf an Kopf in die erste und die letzte Kurve jagen.«
»Kurt Vollmer?«
»Drei Monate später machte er ihr einen Heiratsantrag. Eine gute Partie, seiner Familie gehörte die Spedition Vollmer & Schwarz. Wenn du aus dem Fenster in meiner Küche schaust, siehst du die Neonreklame auf dem Dach des Bürogebäudes, du brauchst dich noch nicht mal an die Gardinenstange zu hängen. Die Firma heißt immer noch so, aber ein holländischer Konkurrent hat sie vor zwölf Jahren geschluckt. Seit der Heirat ist Kurt Vollmer der zweitmächtigste Mann im Riesenberg-Konzern. Er sitzt beim Alten praktisch auf dem Schoß, die beiden können gut miteinander, auch wenn es gelegentlich kracht.«
»War Carolin glücklich?«
»Sie wollte unbedingt weiter in ihrem Beruf arbeiten, ohne Kompromisse, das gehörte zur Vereinbarung zwischen ihnen. Kurt hat das akzeptiert. Was ich von ihm halten soll, von Kurt, weiß ich immer noch nicht, obwohl ich ihn mittlerweile wie lange kenne? Keine Ahnung, ich bin müde. Herrgott, bin ich müde.«
Jenna gähnte, mit einem schnarchenden Laut.
Packer stupste sie an.
»Hallo? Schlaf mir nicht ein. Wir sind an einer heiklen Stelle angekommen. Hat sie tatsächlich nie von mir gesprochen?«
»Bis zu dem Treffen bei Jennas Vater vorhin hab ich noch nie von dir gehört. Was ich jetzt weiß, ist: Du bist ein
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