Kalt kommt der Tod (German Edition)
Bambus.
Phong lächelte ein leises Dementi und dachte: Seltsam, wie man sich dafür entscheiden kann, keine Angst mehr zu haben.
»Wie du willst«, sagte Riesenberg und holte aus.
»Du schlägst mich nie wieder«, sagte Phong. »Ich hätte es niemals zulassen dürfen, aber jetzt ist Schluss damit.«
»Glaubst du, ich würde heute eine der größten Reedereien Europas besitzen, wenn ich alles mit einem Schulterzucken abtun würde?«
Riesenberg war breit und schwer und unberechenbar, das musste er zugeben, aber Phong überragte ihn, und er war schnell und stark und jung.
»Jetzt noch mal zu dieser … Vergewaltigung. Hast du mir dazu noch was zu sagen?«
»Nur, dass es keine war.«
Der Gürtel sauste durch die Luft, eine deprimierend vorhersehbare Angelegenheit.
Der Junge wich dem Schlag aus. Beim zweiten Mal streifte der Gürtel seinen Oberschenkel. Er täuschte eine Aktion mit dem Bambus an, die Chim ihm beigebracht hatte. Tausendmal geübt. Hätte der Bambus sein Ziel getroffen, wäre der Oberkiefer des Alten gebrochen, aber das war nicht Phongs Absicht gewesen. Stattdessen schnellte sein anderer Arm vor. Mit der gespreizten Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger traf seine Hand den Hals unterhalb der Kehle. Es war kein harter Treffer, aber er war schwer genug, um es zu beenden. Riesenberg ächzte wie ein Schiffsbalken auf hoher See und sackte zu Boden.
»Nie wieder!«, sagte Phong.
Riesenberg schnappte nach Luft. Er zog sich am Schrank hoch, bis er stand. Auf wackligen Knien.
»Pack ein paar Sachen ein. Ich bring dich weg von hier, an einen anderen Ort, wo man sich um dich kümmern wird. Bei uns kannst du nicht bleiben.«
Als Riesenberg das Zimmer verlassen hatte, setzte sich Phong an den Schreibtisch und schrieb Carolin einen langen Brief, verschloss ihn in einem Umschlag und schob ihn auf dem Weg nach unten unter ihrer Zimmertür durch. Drinnen hörte er sie weinen. Der letzte Satz in dem Brief lautete: »Ich warte und werde immer warten.«
Am selben Nachmittag brachte Riesenberg ihn zum Anwalt der Familie, seinem Freund Martin Hörnemann, bei dem Phong die nächsten zwei Wochen wohnte, bis ein Apartment für ihn gefunden wurde, für das Riesenberg die Miete bezahlte. Hörnemann setzte ein Papier auf, das dem Adoptivkind seines Mandanten Wohnrecht garantierte, bis er eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben würde. Zusätzlich wurden ihm jeden Monat tausend Mark für Kleidung und Lebensmittel überwiesen.
Ihre Tochter schickten die Riesenbergs wenig später auf ein Mädcheninternat in Cornwall, nach Penzance, einer ehemaligen Piratenstadt an der Südwestküste Englands.
Weit weg.
Einmal in der Woche brachte Louise ihm seine gewaschene Wäsche und ihre selbst gekochte Gulaschsuppe, sein Leibgericht, und allerlei süßes Zeug vorbei. In den Jahren, die folgten, erzählte er ihr von der Schule, von seinen Plänen und seinen Freundinnen. Und später von der Ausbildung bei der Bremer Polizei. Gelegentlich sprachen sie auch über Carolin, doch mit der Zeit wurden diese Gespräche immer seltener.
Er wartete. Die ganze Zeit.
59
Aber Carolin kam nicht.
60
Big Kokina und Kurt Vollmer blieben vor Zimmer 426 stehen. Es war kurz nach einundzwanzig Uhr. Kokina hatte sich mit einer Extraportion Paco Rabanne eingenebelt und konnte kaum erwarten, dass es losging.
Als Vollmer klopfte, wurde die Tür geöffnet, und in einem Spalt erschien das Gesicht von Frida Mörk. Ihre übermalten Lippen glänzten kirschrot und machten ihren großen Mund noch um einiges größer. Schwarzer Lidschatten umschattete die Augen. Die kurzen Haare waren eingeölt und straff nach hinten gekämmt.
»Bereit, ein bisschen zu spielen?«, fragte sie und winkte sie mit dem Zeigefinger herein.
Auf dem Bett lagen: Handschellen, schwarze Korsagen, Seile, Knebel, eine Peitsche, Gleitcreme und Dildos in verschiedenen Größen.
»Alles für euch«, sagte Frida Mörk mit einer einladenden Handbewegung.
»Damit sollten wir klarkommen«, entgegnete Kokina.
»Und die beiden«, sie zeigte auf die zwei anderen Frauen, die mit übereinandergeschlagenen nackten Beinen am Tisch saßen und an ihren Champagnerflöten nippten, »sind Eline und Tuva.«
»Was zweifellos nicht ihr richtiger Name ist«, sagte Vollmer.
»Was bedeuten schon Namen? Wollt ihr was trinken?«
Sie füllte zwei Gläser. »Trinken wir auf ein paar gemütliche Stunden. Zu Hause werdet ihr euren Freunden einiges zu erzählen haben.«
Frida Mörk stellte ihr Glas ab
Weitere Kostenlose Bücher