Kalt kommt der Tod (German Edition)
zu fragen, Vollmer und er.
»Fakson war nicht zu Hause. Seine Nachbarin erzählte uns, er und seine Frau seien wie immer um diese Jahreszeit für vier Wochen in ihrer Finca auf Formentera. Vor drei Wochen sind sie weg, vor dem übernächsten Wochenende werden sie nicht zurückerwartet. Der ist also raus. Dann haben wir uns um Brendboe gekümmert, ein richtiges Kaliber. Den hätte ich am liebsten gleich in den ersten drei Minuten auf die Matte geschickt, so wie der sich aufgeführt hat. Hab nur einmal das Wort ›Bungee-Girls‹ erwähnt, schon war er an der Decke und hat mit rechtlichen Schritten gedroht, wenn wir sein Büro nicht umgehend verlassen. Also haben wir uns an die Mädchen rangemacht.«
Als er zu der entscheidenden Stelle kam, sagte er: »Tja, und wie es aussieht, ist die Tochter von Riesenberg auch eins von denen. Diesen Fesselmädchen.«
Packer lag reglos da und hörte zu. Jetzt, da sich die Worte von Anton Zielinski bestätigten, traf ihn die Nachricht mit doppelter Wucht.
»Wo ist Kurt?«, fragte er schließlich und musste sich mehrmals räuspern, weil seine Stimme versagte.
»Was würdest du tun, wenn dir jemand erzählt, deine Frau ist eine Nutte? Der hängt in der Bar ab und gibt sich stilvoll die Kante.«
Packer richtete sich auf.
»Der Barkeeper von gestern Abend, er hat es mir schon erzählt. Ihr wart schon im Bett. Jenna und ich sind noch mal runter. Ich wollte es Vollmer heute eigentlich selbst beibringen, aber … Gib mir mal meine Hose, sie hängt über dem Stuhl da drüben.«
Packer griff in die Tasche und zog den russischen Orden heraus, den er in der Hand von Sylvia Brustedt gefunden hatte.
»Hast du so einen schon mal gesehen?«, fragte er.
Kokina knipste die Nachttischlampe an und begutachtete den Orden von allen Seiten.
»Das Goldene Kreuz am Band«, sagte er schließlich. »Eine Auszeichnung für Helden der russischen Föderation. Bis vor Kurzem hat die jeder Kosmonaut nach seinem ersten Raumflug bekommen. Aber das ist vorbei, nichts Besonderes mehr, der reinste Tourismus. Soweit ich weiß, wurden auch ein paar Befehlshaber im Tschetschenienkrieg damit beglückt und eine ganze Reihe Privatpersonen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Wo hast du den her?«
Packer sagte es ihm.
»Sehen wir mal nach, wer das Ding bekommen hat. Wenn wir Glück haben, spuckt das Internet eine Liste der Träger aus. Bei einigen Orden meines geschätzten Heimatlandes ist das nämlich der Fall.«
Im Schwesternzimmer fragten sie, ob sie für ein paar Minuten den Computer benutzen dürften. Packer tippte »Goldenes Kreuz am Band« und »Russland« in die Suchmaske. Den Rest erledigten die Rechner von Google.
63
Binnen einer Sekunde tauchten die Namen sämtlicher Männer und Frauen auf, die mit dem Orden ausgezeichnet worden waren. Im Erklärungstext hieß es, das Goldene Kreuz wurde 1992 vom damaligen Präsidenten Boris Jelzin als höchster russischer Ehrentitel eingeführt und bisher an siebenhundertzweiundfünfzig Personen verliehen, an dreihundertfünfzig von ihnen posthum.
Sie überflogen die Zeilen. Unter anderem lasen sie folgende Namen:
- Wladimir Beljawski (Oberstleutnant im Nordkaukasus)
- Nina Brusnikowa (Bedienerin einer Melkmaschine in der Kolchose »Awrora«)
- Ljubow Jegorowa (mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Langlauf)
- Ruben Jesajan (Testpilot und stellvertretender Generaldirektor von GOSIGNA)
- Michail Kalaschnikow (Waffenkonstrukteur und Generalleutnant)
- Sergej Preminin (Besatzungsmitglied des gesunkenen sowjetischen U-Boots K 219 )
Der letzte Name auf der Liste erregte ihre Aufmerksamkeit:
- Wladimir Igor Zerow-Choma (Major im Afghanistan-Feldzug und Besatzungsmitglied des Tauchbootes Mir-1 )
Packer gab Mir-1 in den Computer ein, und eine Fülle von Sites wurde vorgeschlagen.
Die Mir-1 war ein Mini-U-Boot mit drei Mann Besatzung, das im August 2007 zum geografischen Nordpol getaucht war, 4261 Meter tief, wo die Mannschaft eine russische Flagge aus Titan in den Meeresboden gepflanzt und damit symbolisch Besitz vom nördlichsten Punkt der Erde ergriffen hatte.
Die Information kam Packer bekannt vor. Hatte nicht auch Morton Paulsen, der UNIS-Direktor, von diesem Ereignis gesprochen?
»Experten warnen bereits vor einem neuen Kriegsschauplatz«, las er laut weiter. »Der Moskauer Industrielle Wladimir Choma hat die Expedition mit einem zweistelligen Millionenbetrag unterstützt. Als Gegenleistung verlangte er lediglich einen Platz in der
Weitere Kostenlose Bücher