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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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Churchill an der kanadischen Hudson Bay warten jedes Jahr im Spätherbst Hunderte Eisbären unruhig darauf, dass die Küste zufriert und sie draußen auf dem Meer endlich Jagd auf Robben machen können. In drei bis vier Jahren werden sie vergeblich warten, dann ist Churchill vielleicht schon ein attraktiver Seehafen am Rand der Nordostpassage. Die kanadische Regierung hat die strategisch günstige Lage erkannt und fängt an, neue Kaianlagen zu bauen und attraktive Bedingungen für die künftigen Bewohner zu schaffen.«
    »Diese unverhohlene Gier dreht mir den Magen um.« Choma, dem das Wort GIER auf die Stirn tätowiert war, schüttelte sich vor Abscheu. »Trotzdem, haben Sie vielen Dank für Ihre lehrreichen Ausführungen. Die westlichen Industrienationen scheinen tatsächlich zu glauben, wir Russen leben noch immer hinter dem Eisernen Vorhang und bekommen nichts davon mit, was auf der Welt passiert. Meinetwegen, lassen wir sie in dem Glauben.«
    Vollmer hörte den Anflug von Wut unter dem Spott von Chomas Stimme heraus.
    Einen Augenblick lang sagte niemand ein Wort. Dann fragte Choma: »Ahnt Ihr Schwiegervater etwas? Von dem, was hier läuft? Dass wir hinter seinem Rücken genau das tun, was er uns verweigert?«
    Vollmer schüttelte den Kopf. »Die Disposition der Schiffe fällt in meinen Bereich. Aus dem Tagesgeschäft hält er sich heraus. Er vertraut mir. Inzwischen kümmert er sich mit seinen Ingenieuren nur noch darum, neue Techniken für effektivere Ladesysteme zu entwickeln. Bevor ihm auffällt, was geschieht, ist die Aktion längst abgeschlossen, und jeder hat, was er will.«
    »Bis auf Riesenberg.«
    »Daran ist er selbst schuld«, sagte Vollmer. »Mein Mitleid für meinen Schwiegervater hält sich in Grenzen. Er hat seine Chance gehabt.«
    »Sie können sich meiner und der Dankbarkeit unseres Ministerpräsidenten gewiss sein.«
    »Was geschieht mit Carolin?«, fragte Vollmer.
    »Für den Fall, dass Riesenberg Verdacht schöpft und wir sie als Druckmittel benötigen, behält mein Freund Tarassow sie noch eine Weile in seiner Obhut. Die beiden scheinen sich prächtig zu amüsieren, hab ich recht, Kommandant?«
    Tarassow verzog sein Gesicht zu einer niederträchtigen Grimasse. »Wir fangen an, miteinander warm zu werden.«
    »Und dann lassen wir sie verschwinden«, sagte Choma. »Für immer – so, wie Sie es wollten.«
    Vollmer nickte schweigend.
    Tarassow wurde von einem seiner Männer aus dem Zimmer gerufen. Unterdessen breitete der Anwalt einen Satz Dokumente auf dem Tisch aus und forderte Vollmer auf, sie zu unterzeichnen.
    Packer hatte jedes Wort mit angehört. Er trat neben dem Fenster von einem Bein aufs andere, eine ganze Weile schon. Es wurde Zeit, dass er ins Warme kam. Er brannte darauf, mit Vollmer ein paar Takte zu plaudern. Und mit Choma. Mit Viktor Tarassow selbstverständlich auch.
    Steif gefroren drehte er sich um – und fand sich auf der falschen Seite einer schallgedämpften PB Makarov wieder. Er starrte direkt in die lange schwarze Mündung.
    Tarassow drückte ihm den eiskalten Lauf gegen die Stirn.
    76
    Big Kokina schaute auf die Straße. Seit einer ganzen Weile war kein Lastwagen mehr am Haus der Sokolews vorbeigekommen. Er hatte lange mit dem betrunkenen Sokolew über die weißen Nächte in St. Petersburg geplaudert, über den Katharinenpalast, sommerliche Bootsausflüge auf der Newa und die unvergleichliche Schönheit der Abenddämmerung auf dem Newski-Prospekt, bis Sokolew, vom Wodka betäubt und von Heimweh übermannt, schließlich eingeschlafen war.
    In den umliegenden Häusern gingen die Lichter an. Hinter den Fenstern tauchten Schatten auf und verschwanden wieder. Menschen auf dem Weg ins Bad, in die Küche. Es war kurz nach sechs Uhr.
    Ein weiterer Tag in der Nacht.
    Big Kokina spürte den fehlenden Schlaf in seinen Knochen. Er reckte die Arme und hörte es knacken, als sich die Verspannungen in seinen Muskeln und Gelenken lösten. Er rieb die brennenden Augen und machte es damit nur noch schlimmer.
    Sokolew schnarchte unter seiner Decke und drehte sich auf die Seite. Kokina fragte sich, was den Mann noch am Leben hielt, da es nichts mehr zu geben schien, wofür es sich zu leben lohnte.
    Unten hörte er Pantoffeln über das Parkett schlurfen, wenig später stieg der Duft von Kaffee zu ihm herauf. Ein großes Frühstück, genau das Richtige, dachte er und wollte sich auf den Weg nach unten machen, aber ein letzter flüchtiger Blick aus dem Fenster hielt ihn davon ab.
    Den Mann,

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