Kalt kommt der Tod (German Edition)
ich ihn einmal besuchen, zusammen mit meinem Vater. Eine lange Reise mit der Eisenbahn von Moskau nach Osten war das. Er arbeitete mit den Gefangenen, wollte herausfinden, was die Kälte unter extremen Bedingungen mit dem menschlichen Organismus macht. Seine Experimente wurden großzügig vom Gesundheitsministerium gefördert. Der Präsident persönlich – wer war das noch, Breschnew? – schüttelte ihm die Hand und versprach ihm eine Datscha. Fünf Jahre war mein Onkel in Workuta, zur Belohnung schickten sie ihn anschließend nach Kuba. Sonne. Strand. Piña Colada. Mädchen. Eine Woche auf Staatskosten. Die Datscha? Hat er nie gesehen.«
»Trau keinem Russen – ist das die Botschaft der Geschichte? Vor allem, wenn es der Präsident ist?«
Seit ein paar Monaten war das Internet voll mit den Muskelspielen der Russen, alle paar Wochen lief die Flotte vom Stützpunkt Murmansk im Pazifik zu einem Manöver Richtung Norden aus, wo die Norweger, Kanadier und Amerikaner sie schon erwarteten und im Auge behielten.
Dänemark blieb in der Regel zu Hause, schickte höchstens ein Kommandoschiff der Absalom-Klasse vorbei, um Flagge zu zeigen. Weil es jede Menge Korvetten und alle fünf U-Boote außer Dienst gestellt hatte, fehlte es der ohnehin schwachbrüstigen dänischen Marine an Material.
»Doch heute«, erzählte Tarassow weiter, »haben wir einen Visionär an der Spitze. Er plant die Zukunft unseres Landes bis weit über den Horizont hinaus. Wladimir Putin hat als Erster die Bedeutung der Arktis als Energiequelle von morgen erkannt und zögert nicht, unsere Besitzansprüche anzumelden. Jetzt sind wir hier, um seinen Willen durchzusetzen. Glauben Sie, er wartet, bis der Internationale Seegerichtshof das Territorium den Amerikanern oder Kanadiern zuspricht? Die Norweger und Dänen machen uns keine Sorgen, die sind viel zu klein, um sich unserem Willen zu widersetzen. In den nächsten Tagen werden wir Stufe eins unserer Expansion abgeschlossen haben, dann lagert auf Spitzbergen das komplette Material für die erste Bohrinsel und eine Pipeline, die in naher Zukunft bis nach Murmansk führen wird. Die Waffen, die wir benötigen, um unser Eigentum zu schützen, sind auch schon da, im Stollen, deklariert als Maschinenteile. Die CIA? Hat davon nichts mitgekriegt, alles lief schnell und reibungslos. Bis die Amerikaner die Bilder ihrer Spionagesatelliten ausgewertet haben, die über der nördlichen Hemisphäre kreisen, und kapieren, was passiert ist, haben wir unseren Claim abgesteckt und machen fette Beute.«
Tarassow umklammerte die Kaffeetasse, wärmte seine Hände.
»Hab keine Ahnung, wie viele Tropfen in der Kammer von diesem Füller sind, wollen wir weitermachen? Es herausfinden?«
Er stellte die Kaffeetasse ab.
»Ihr Freund«, sagte er, »wird sich in diesem feindseligen Land nicht allein zurechtfinden. Wir möchten ihm helfen, aber um das zu tun, müssen wir ihn erst mal finden. Weg von hier kann er nicht, meine Männer überwachen die Skidoo-Route nach Longyearbyen, den Hafen, den Hubschrauber. Ach ja, ohne Pilot kann er ja gar nicht fliegen.«
Packer sammelte Kraft für den nächsten Satz.
»Wir könnten«, sagte er, »tauschen. Den Catcher gegen die Frau, Carolin Riesenberg. Ich weiß nicht, was mein Freund dazu sagen würde, aber er mag Helden, und dann wäre er wohl einer.«
»Welche Frau?«, fragte Tarassow und blieb stehen. Er hatte Runde um Runde um den Tisch gedreht, während er sprach, jetzt blickte er vom Fußende zu Packers Gesicht hoch und wartete auf eine Antwort. »Welche Frau?«
»Es waren drei«, sagte Packer, »schon vergessen? Sylvia Brustedt ist tot, ihr habt sie erschossen und irgendwo da draußen liegen lassen. Die anderen beiden heißen Carolin Riesenberg und Sarah Jones. Kennt ihr die Namen eurer Gefangenen nicht?«
»Wir haben keine Gefangenen.«
»Wie wär’s mit Geiseln ?«
»Sie wollen mich ablenken, von Ihrem Freund. Ich sage Ihnen, es gibt keine Frau. Zufrieden? Es hat nie eine gegeben.«
»Hör zu«, sagte Packer, »wenn …«
Tarassow schnitt ihm das Wort ab.
»Reden wir wieder über Ihren Freund«, sagte er und zerriss mit einem Ruck Packers Boxershorts.
»Ich habe das Gefühl, Sie können es kaum abwarten, mir zu erzählen, wo er steckt.«
Was kam jetzt?
Darüber wollte Packer nicht mal nachdenken.
80
»Bist du sicher, dass er in diesem Scheißcontainer ist?«, fragte Kokina.
»Der da, beim Abhang, das ist er, ich schwör’s«, antwortete Magnus. »Da haben sie ihn
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