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Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Titel: Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dichten Büschen versteckte. Er ließ eine Patrone in die Kammer der Browning gleiten und stützte den Ellenbogen der Waffenhand auf ein Knie, um ruhig zielen zu können, als der Zug unaufhaltsam näher ratterte. Kurtz zog das Nachtglas wieder vor die Augen, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht in das einzelne zitternde Stirnlicht zu schauen.
    Dann zog die Minieisenbahn des Vergnügungsparks an ihm vorbei und füllte die Luft mit dem Auspuffgestank ihres Zweitakt-Motors. Schließlich schaukelte sie um die Kurve des Hügels und verschwand in dem Waldstück südlich von ihm.
    »Jesus«, flüsterte Kurtz.
    Er hatte keinen Fahrer gesehen. Die Lokomotive war leer gewesen. Doch in den folgenden drei Wagen saßen Passagiere. Sie waren alle wie verkleinerte Personen- oder Güterwaggons gestaltet, oben offen und die Sitze gerade groß genug, dass zwei Kinder bequem darin Platz fanden. Für einen Erwachsenen glich die Fahrt eher einer Tortur. Er musste sich mit angewinkelten Knien auf das schmale Polster hocken. So wie die acht Leichen, die Kurtz in den Waggons gezählt hatte. Vier tote Männer, zwei tote Frauen und zwei tote Kinder.
    »Jesus«, flüsterte Kurtz noch einmal. Er konnte den Zug jetzt durch die kahlen Bäume und raschelnden Blätter auf der anderen Seite des Hügels hören, wie er zurück zum niedergebrannten Herrenhaus fuhr und dann in seine Endlosschleife zurückkehrte. Irgendwo musste es einen Hauptschalter geben, der dafür sorgte, dass das Gefährt wieder und wieder den Hügel umrundete. Wahrscheinlich wurde der Schalthebel der Lok durch Klebeband in der »Fahr«-Position gehalten.
    Keine Totmannschaltung, dachte Kurtz und widerstand dem Impuls, laut aufzulachen.
    Er überquerte die Schienen und hielt bergab auf den beleuchteten Hauptweg zu, die Pistole an der Seite, wobei er sich bemühte, keine Zweige abzuknicken oder versehentlich auf trockene Blätter zu treten. Doch jedes Geräusch, das er verursachte, ging ohnehin in der blechernen Kirmesmusik unter, die immer lauter plärrte, je näher er kam. Im Moment brüllten die Lautsprecher eine Orgelversion von »Pop Goes the Weasel« heraus.
    Der Anblick durch das Nachtsichtgerät erschien ihm surreal, also setzte er es wieder ab. Er blieb jedoch auch im natürlichen Mondlicht unter der provisorischen Beleuchtung unwirklich.
    Irgendwo in der Nähe spuckte und stotterte ein Generator. Das kaputte, rostige Riesenrad bewegte sich quietschend und stockend, aber es bewegte sich. An seinem Gestell brannten vielleicht ein Dutzend intakte Glühbirnen, wo früher, als Wolke Sieben neu gewesen war, Hunderte geleuchtet hatten. Aber sie reichten aus, um ein halbes Dutzend erwachsene Leichen aus der Dunkelheit zu schälen, die in den vier verbliebenen Gondeln des quietschenden Rades mitfuhren. Zwei waren nach vorne gegen die verrosteten Haltestangen gesackt.
    Das Karussell drehte sich schwerfällig. Die Musik kam von dort, ertönte aus einem Gettoblaster, der in der Mitte des ächzenden und knarrenden Runds stand. Die zerbrochenen Pferde und zerschmetterten Zebras und kopflosen Löwen bewegten sich nicht auf und ab, aber einige von ihnen hatten Gesellschaft – eine tote Frau mit einem Einschussloch in der blau angelaufenen Stirn saß nach vorne gelehnt an der senkrechten Stange, die aus dem goldenen Palomino nach oben ragte; ein männlicher Leichnam mit drei schwarzen Löchern im Eddie-Izzard-T-Shirt lag steif auf dem Löwen mit dem fehlenden Unterkiefer; ein kleines Mädchen, nicht älter als fünf, ein Teil ihres Schädels fehlte zwischen ihren Zöpfen, lehnte auf dem langen, zersplitterten Hals der Giraffe.
    Das Karussell wirbelte in den rauschenden Wäldern zur Musik herum und herum.
    Kurtz versuchte, sich von einem Schatten zum anderen zu bewegen, den nasskalten Finger am Abzug. Ihm stieg der Duft von Popcorn in die Nase. Popcorn und etwas, das klebrig roch – entweder frisches Blut oder Zuckerwatte. Der Rasenmähergestank der Eisenbahn schwebte vorbei, als der Zug wieder den Hügel hinaufrumpelte.
    Der Autoscooter-Pavillon war nach wie vor kaputt und strotzte vor Müll. Tote Blätter wehten über den Gummibelag des Bodens, aber ein einzelner Scheinwerfer erleuchtete das Fahrgeschäft, in dem ein Mann und eine Frau – den eingesunkenen Augen und entblößten Zähnen nach zu urteilen seit Längerem tot – in einem der aufgerichteten Wagen saßen. Der männliche Leichnam hatte den Arm um seine weibliche Begleiterin gelegt und seine spröden knochigen Finger

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