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Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Titel: Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schienen unter den zerfledderten Lumpen, die einst ein pinker Pullover gewesen sein mochten, an ihrer vertrockneten Brust herumzufummeln.
    »Heilige Scheiße«, raunte Kurtz, bewegte aber nur die Lippen, ohne ein Geräusch zu machen. Er hob die Browning mit beiden Händen und ging weiter hügelaufwärts. Vorbei an der Grasnarbe, wo er vor weniger als 36 Stunden beinahe mit Rigby King geschlafen hätte. Vorbei an der Sperrholzfassade des Spiegelkabinetts, wo ihn ein verblichenes Clownsgesicht aus dem Unkraut anstarrte. Vorbei am Kassenhäuschen des Kabinetts, wo eine männliche Leiche hinter die Maschendraht-Absperrung der Kabine gesetzt worden war. Diesem Verstorbenen hatte jemand ein Clownsgesicht aufgemalt und er trug eine rote Nase. Das weiße Hemd wies eine Reihe blutiger Löcher auf Brusthöhe auf.
    Kurtz näherte sich der Hütte, der Rigby und er gestern einen kurzen Besuch abgestattet hatten. Das neue Gebäude schien ihm das Epizentrum dieses nächtlichen Irrsinns zu sein. Der große Benzingenerator brummte an der hinteren Wand und lieferte den Strom für die diversen Lichter und Motoren, die das Riesenrad und das Karussell antrieben.
    Kurtz bewegte sich von Baum zu Baum auf die Hütte zu, die Waffe im Anschlag. Er versuchte, flach durch den Mund zu atmen, versuchte, zu lauschen. Die Veranda quietschte leise, als er sie betrat. Er schlich sich neben den Eingang und spähte ins Innere. Dort leuchtete ein Windlicht und auf der Pritsche in der Ecke kauerte eine Gestalt. Kurtz schob das Nachtglas wieder von den Augen und aus dem Weg, um seine peripheres Sichtvermögen besser nutzen zu können. Sein Mund war trocken.
    Ein Windstoß fegte Blätter über den muffigen Hauptweg und ließ die Zweige in den kahlen Bäumen rascheln. Wegen dieses Geräuschs – und der sich immer wiederholenden blechernen Karussellmusik aus dem Gettoblaster – und wegen des Quietschens und Ächzens des Riesenrads und des Tuckerns des Zuges, der zu einer neuen Runde über den Hügel ansetzte, bekam Kurtz nicht mit, wie sich der tote Clown im Kassenhäuschen aufrichtete, sein weißes Gesicht zur Seite drehte und ins Freie kam.
    Aufgrund der Helligkeit des Windlichts in der Hütte und seiner eigenen intensiven Konzentration auf die Leiche unter der Decke und weil er aufmerksam beobachtete und abwartete, ob sich in oder neben der Hütte etwas regte, sah oder hörte Kurtz auch nicht, wie der Clown mit dem blutigen Hemd leichtfüßig um die Ecke des Spiegelkabinetts trat, kaum 25 Schritte hinter ihm.
    Kurtz’ Instinkte hatten ihm in den fast zwölf Jahren in den Gefängnishöfen, Duschen und Korridoren von Attica immer gute Dienste geleistet. Doch jetzt, an diesem seltsamen Ort, ließen sie ihn im Stich, als der Clown seine schallgedämpfte 9-Millimeter-Beretta zückte und dreimal aus einer Entfernung von weniger als 15 Metern feuerte. Alle drei Kugeln schlugen in den oberen Teil von Joes Rücken ein, zwei zwischen den Schulterblättern und die dritte direkt unterhalb vom Hals.
    Kurtz fiel vornüber in die Hütte, landete hart und leblos auf dem Gesicht, seine Browning polterte auf dem Sperrholzboden davon.
    Der tote Clown, bei dem es sich in Wahrheit um den Dodger handelte, kam vorsichtig näher, die Beretta unbeweglich im Anschlag. Er blinzelte nicht, aber er grinste so breit, dass seine großen Pferdezähne gelb in dem glatten weißen Make-up seines Gesichts aufleuchteten.
    Er trat auf die Veranda und blieb im Türrahmen stehen, die Beretta auf Kurtz’ Hinterkopf gerichtet.
    Joe war so gefallen, dass ein Arm ausgestreckt und der andere unter seinem Körper eingeklemmt war. Die Pistole des Detektivs lag zwei Meter entfernt auf dem Boden. Drei Löcher im Rücken des Kapitänsmantels signalisierten, wo die Kugeln ihn getroffen hatten. Eine kleine Blutlache bildete sich in der Nähe seines Gesichts.
    Der Dodger senkte seine Waffe und lachte. »Ich habe die letzte Gondel des Riesenrads für dich reserviert, Kurtz, du …«
    Kurtz rollte sich auf den Rücken und feuerte die große gelbe Nagelpistole mit einem pneumatischen Fump! ab. Der Nagel rammte sich in den Bauch des Dodgers und schlug ihn rückwärts gegen den Türrahmen, aber trotzdem schoss die Beretta in die Höhe.
    Benommen, mehr aus Instinkt als aus klarer Wahrnehmung heraus handelnd und noch immer mit der Nagelpistole im Griff, auf die er gefallen war, kam Kurtz taumelnd hoch. Er rammte den Dodger mit der Schulter erneut gegen den Türrahmen und schob ihn dann hinaus auf die Veranda.

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