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Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller

Titel: Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Stahlwerke gehörte zu den großzügigsten Regelungen, die US-weit existierten.
    Als der Markt für amerikanischen Stahl schrumpfte, wuchsen die Abraumhalden neben den Werken in Lackawanna immer mehr in die Höhe, der Himmel wurde immer dunkler und verschmutzter, die Arbeitersiedlungen trister und die Altersvorsorge fraß immer mehr von den Gewinnen der Gesellschaften auf. Doch die Idee des Stahls florierte weiterhin in Lackawanna.
    Ende der 60er-Jahre waren die Gewerkschaften jedoch zu stark geworden, die technische Entwicklung hinkte deutlich hinterher, die Buchhaltungspraktiken waren altbacken und träge und die Werke selbst massiv veraltet. Die Arbeitgeberverbände erhielten weiterhin große Zugeständnisse. Die Manager schütteten sich Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen aus. Die Gesellschaften leiteten ihre Gewinne per Dividende an die Aktionäre weiter, statt sie in neue Technologien oder eine Verjüngung der Führungsspitze zu investieren.
    Derweil betrieben japanische, europäische, russische und thailändische Konkurrenten ihre Produktion mit billigeren Arbeitskräften, modernerer Technik und geringeren Gewinnspannen. Die Stahlgesellschaften in Lackawanna schrien Zeter und Mordio, redeten von Preisdumping, gaben Politikern Geld, damit sie protektionistische Gesetze erließen, und machten mit den gleichen Löhnen, den gleichen Renten und den gleichen veralteten Maschinen einfach so weiter. Sie produzierten Stahl, wie ihre Großväter Stahl produziert hatten. Und sie vermarkteten ihn auch so.
    In den 70ern lag die Stahlindustrie von Lackawanna auf der Bahre und blutete heftig. Mitte der 90er wurde sie schließlich unter einem kalten Grabstein verbuddelt und bei der Totenwache glänzten Trauernde durch Abwesenheit. Heute erstreckten sich verlassene Stahlwerke 20 Kilometer entlang des Eriesees, es gab etliche Quadratkilometer Getto, wo früher die Arbeitersiedlungen gestanden hatten, und unzählige leere Parkplätze anstelle Tausender parkender Autos von fleißigen Malochern.
    Hinzu gesellten sich unansehnliche schwarze Berge aus Schlacke, die Straßenblock um Straßenblock am Ostufer des Sees in die Höhe ragten – eine billigere Alternative für die verbliebenen Trümmer der Stahlindustrie, als sie entsorgen zu lassen. Zugleich besiegelten sie, dass die Stadt Buffalo, der ein Drittel der Bevölkerung auf der Suche nach neuen Arbeitsplätzen verloren gegangen war, niemals das Geld für die Erschließung der Ufergrundstücke aufbringen konnte.
    In den Vierteln im Schatten der riesigen Stahlkochereien – Quartieren, in denen einst deutsche, italienische und einige farbige Facharbeiter gewohnt hatten – residierten jetzt Crack-Schuppen, Abtreibungskliniken und Hinterhofmoscheen. Der Grund dafür war, dass noch ärmere schwarze, hispanische und nahöstliche Einwanderer in das Vakuum strömten, das die weggezogenen Stahlarbeiter hinterlassen hatten.
    Kurtz kannte Lackawanna gut. Er hatte hier ebenso seine Unschuld wie seine Illusionen über das Leben verloren und seinen ersten Menschen getötet, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
    Die Ridge Road bildete die wichtigste Ost-West-Verbindung durch das Herz der Stadt. Sie führte vorbei an der Basilika Unserer Lieben Frau vom Siege, vorbei an Pater Bakers Waisenhaus, am Holy-Cross-Friedhof, am Botanischen Garten und dem Rathaus von Lackawanna, dann über die schmale Stahlbrücke, die vor mehr als einem Jahrhundert gebaut worden war, schließlich »hinter der Brücke« südwärts in das Gewirr enger Gassen, die an den Wänden und Gräben und Sperren um das kilometerweite Niemandsland der Bahngleise herum endeten. Diese ebneten schließlich nordwärts den Weg in das Getreidemühlen-Industriegebiet, wo sich Kurtz im Harbor Inn niedergelassen hatte.
    Yasein Gobas Haus stand südlich der alten Carnegie-Bibliothek in der Nähe der Islamischen Moschee von Lackawanna. Es handelte sich um eine windschiefe, schmuddelige, graue Affäre am Ende einer mit Müll übersäten Sackgasse. Rechts und hinter dem Gebäude schottete ein hoher Zaun das Grundstück vom benachbarten Schrottplatz ab. Auf der linken Seite steckte eine rostige Eisenwand mit Stacheldraht den Claim der Eisenbahngesellschaft ab. Güterzüge rumpelten und krachten in der verregneten Luft.
    Kurtz rangierte den Pinto rückwärts aus der Sackgasse heraus, wendete, fuhr einen Block nach Osten und parkte in der Nähe des Odell Playground, der einzigen Grünfläche im Umkreis von einigen Meilen. Er

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