Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller
»Angelina«-Quatsch ergab für Kurtz nur dann Sinn, wenn diese Frau das alte Spielchen spielte, sich vermeintlich mit ihrem Widersacher anzufreunden, während sie in Wahrheit seine Vernichtung plante.
Aber da waren die fünf blauen Stecknadeln auf der Karte – Dealer und Kunden der Farino-Familie, die verschwunden waren und lediglich Blutflecken hinterließen.
Wer sagt denn, dass sie getötet wurden?
Angelina Farino Ferrara. Ihre Familie hatte sich im ersten Jahr des Neuaufbaus einen so großen Anteil am Drogenhandel gesichert, dass es aufgefallen wäre, wenn es nur Gonzagas Leute erwischt hätte. Welche Rolle spielte schon der Verlust von ein paar Dealern und Junkies, wenn man sich im Gegenzug das Vertrauen von Toma Gonzaga erschleichen konnte? Vielleicht waren sie alle nach Miami oder Atlantic City abgeschoben worden, während Miss Farino Ferrara seelenruhig weiter Gonzaga-Kunden ins Jenseits beförderte.
Aber Kurtz war sich sicher, dass Gonzaga Angelina nicht über den Weg traute. Wie sollte man das auch tun bei einer Frau, die ihren ersten Mann erschossen und die Pistole aus, wie sie selbst sagte, sentimentalen Gründen behalten hatte. Einer Frau, die ihren zweiten, wesentlich älteren Mann nur heiratete, um eine kostenlose Unterweisung in Strategien und Taktiken der Diebeskunst zu erhalten, und die ungerührt ihr einziges Baby ertränkte, weil es Gonzaga-Gene in sich trug.
Kurtz stand am Fenster und sah zu, wie der kalte Regen auf die Chippewa Street niederprasselte. Es war nachvollziehbar, dass Gonzaga ihn »engagiert« hatte, um den Heroinkiller innerhalb von nur vier Tagen aufzuspüren. Zumindest gab Kurtz’ Scheitern Gonzaga einen weiteren Grund, ihn zu töten – als wäre eine mögliche Verwicklung in den Tod seines Vaters noch nicht genug.
Und Angelina? Nun, die würde nicht gerade einen Weinkrampf bekommen, wenn sie von Kurtz’ Tod erfuhr – sie würde Tomas Erklärung ohne Groll akzeptieren. Das Leben eines Joe Kurtz war für sie im größeren Zusammenhang nicht von Bedeutung – vor allem, weil sich für sie alles um Rache und Ehrgeiz drehte, die das Yin und Yang von Angelina Farino Ferraras emotionalem Spektrum zu sein schienen.
Kurtz musste lächeln. Seine Möglichkeiten waren eingeschränkt. Zumindest hatte er die tickende Zeitbombe Big Bore Redhawk neutralisiert und das Handygespräch mit Angelina, in dem er ihr den Auftrag erteilte, war fein säuberlich aufgezeichnet. Natürlich belastete der Mitschnitt Joe selbst noch stärker als den weiblichen Don. Tatsächlich hatten sie sich beide am Telefon so vage ausgedrückt, dass das Band nutzlos war.
Blieben noch die 5000 Dollar Vorschuss, die Kurtz in einem Umschlag mit sich herumtrug. Er würde das Geld brauchen, um sich am Montagmorgen, wenn er Buffalo, New York, für immer verließ, einen Gebrauchtwagen zu organisieren, bevor er über die Staatsgrenze fuhr (und damit seine Bewährungsauflagen verletzte). Kurtz kannte überall in den USA Leute, die ihm aus der Patsche helfen würden. Der Wichtigste war im Moment ein plastischer Chirurg, der ihm gegen hartes Bargeld ein anderes Gesicht und eine neue Identität verschaffen konnte.
Doch er würde noch mehr Geld brauchen. Kurtz konnte auf der Stelle 50.000 in Cash bekommen, wenn er Arlene darum bat, ihm seinen Anteil an Wedding Bells und Sweetheart Search abzukaufen, aber dazu würde er sich niemals durchringen. Sie hatte seit Jahren davon geträumt, einen solchen Onlinedienst aufzuziehen, auch wenn ihm in Attica die Idee mit der Suche nach verflossenen High-School-Flammen gekommen war.
Nun, er konnte sich jederzeit mehr Geld beschaffen.
Kurtz setzte seine Baseballkappe auf, steckte die 38er in seinen Gürtel und ging nach unten zu seinem Pinto. Da gab es jemanden in Lackawanna, mit dem er dringend ein ernsthaftes Wörtchen reden musste.
KAPITEL 15
Lackawanna war nahezu ein Jahrhundert lang einer der weltweit bedeutendsten Umschlagplätze der Stahlproduktion gewesen. Rohmaterial kam auf Ozeanfrachtern, die den St.-Lorenz-Seeweg und die Großen Seen passierten, sowie per Kanal und Eisenbahn herein; fertiger Stahl ging anschließend in aller Herren Länder hinaus. Zehntausende Arbeiter in Lackawanna und Buffalo verdankten über 50 Jahre lang dem Lackawanna-Stahl ihren Lebensunterhalt. Ein gutes Leben mit deutlich höheren Löhnen als im Chrysler-Werk, bei American Standard oder einem der anderen großen Brötchengeber in der Arbeiterstadt Buffalo. Die Gesundheits- und Altersvorsorge der
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