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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Fenster vor der Wüstensonne, und die Mauern unter den Fenstern waren ebenso gefliest wie die Pflanzentröge davor, deren Inhalt in der Hitze ums blanke Überleben kämpfte.
    Es war das Café neben dem Motel, in dem sie eben noch gewesen waren. Gleich südlich von ihnen befand sich die Rezeption, und dahinter führte ein überdachter Fußweg zu einem langen Anbau, in dem sie das vorletzte Zimmer bewohnten. Shepherd hatte sie über die großartige Entfernung von hundert, höchstens hundertfünfzig Metern gefaltet.
    » Shep hat Hunger. «
    Jilly wandte sich um, weil sie hinter sich ein offenes Tor erwartete, wie es Dylan auf dem Hügel in Kalifornien gesehen hatte, nur diesmal nicht mit einem Blick ins Bad, sondern in das leere Schlafzimmer, das sie gerade verlassen hatten. Offenbar hatte Shepherd das Tor diesmal jedoch sofort geschlossen, in der Mittagssonne schimmerte nämlich nur der dunkle Asphalt des Parkplatzes.
    Ein Stück weit entfernt stieg gerade ein junger Mann aus einem Pick-up, dessen Kabine mit einer Gewehrhalterung ausgestattet war. Er trug Rancherkluft und einen ramponierten Cowboyhut, und als er den Kopf hob, stutzte er zwar kurz, schrie jedoch weder » Teleporter « noch » Proctorianer «, noch ähnliche Anschuldigungen. Offenbar war er nur etwas erstaunt, dass er die drei erst jetzt bemerkt hatte.
    Auf der Straße war kein Wagen über den Bordstein gesprungen, an einen Leitungsmast gekracht oder auf ein anders Fahrzeug aufgefahren. Nach der Reaktion der Autofahrer zu urteilen, hatte keiner die drei Gestalten aus dem Nichts auftauchen sehen.
    Auch aus dem Café kam niemand herbeigerannt, um sie mit offenem Mund anzugaffen. Das hieß wahrscheinlich, dass zufällig niemand herausgeblickt hatte, als Jilly, Dylan und Shepherd den Teppichboden ihres Zimmers mit dem betonierten Gehsteig vor dem Eingang vertauscht hatten.
    Dylan sah sich ebenfalls um. Zweifellos zog er dieselben Schlüsse wie Jilly, und als sich die Blicke der beiden trafen, sagte er: » Alles in allem wäre ich lieber zu Fuß gegangen. «
    » Mir wäre es sogar lieber gewesen, wenn man mich mit einem Pferd hergeschleift hätte «, meinte Jilly.
    » Shepherd «, sagte Dylan, » ich dachte, wir hätten uns verstanden, oder nicht? «
    » Butterkekse. «
    Der junge Mann aus dem Pick-up griff sich an den Hut, als er an ihnen vorbeikam – » Howdy, Folks « – und das Café betrat.
    » Hör mal, das darf nicht zur Gewohnheit werden. «
    » Shep hat Hunger. «
    » Schon klar, es war mein Fehler; ich hätte dir gleich nach dem Duschen Frühstück besorgen sollen. Aber trotzdem kannst du dich nicht einfach immer, wenn du gerade Hunger hast, zu einem Lokal falten. Das ist schlimm, Shep. Das ist ganz schlimm. Das ist die übelste Sorte von schlechtem Benehmen. «
    So, wie er wortlos mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf dastand, sah Shep zerknirschter aus als ein kranker Basset. Von seinem Bruder ausgescholten zu werden machte ihn offenbar kreuzunglücklich.
    Jilly hätte ihn am liebsten umarmt, aber sie hatte Angst, er könnte sich mit ihr – und ohne Dylan zu einem besseren Restaurant falten. Schließlich hatte sie ihre Handtasche nicht dabei.
    Außerdem hatte sie Verständnis für Dylan. Eigentlich hätte er die komplexe Situation erklären müssen, um seinem Bruder beizubringen, dass er sie in große Gefahr brachte, wenn er sie in aller Öffentlichkeit von hier nach dort faltete, aber dafür hätte Shep wacher und kommunikativer sein müssen, als es ihm möglich war.
    Um klarzustellen, dass öffentliches Falten tabu war, erläuterte Dylan deshalb lieber gar nichts. Stattdessen versuchte er, mit der Behauptung durchzukommen, es sei unanständig, dabei gesehen zu werden.
    » Shep «, sagte Dylan, » du würdest dich doch auch nicht einfach in die Gegend stellen, um zu pinkeln, oder? «
    Shepherd schwieg.
    » Oder etwa doch? Du würdest hier doch nicht mitten auf den Gehsteig pinkeln, wo dir alle zuschauen könnten, nicht wahr? Ich hab fast den Eindruck, du würdest es doch tun. «
    Obwohl ihn die Vorstellung, sich in der Öffentlichkeit zu erleichtern, sichtlich erschreckte, wehrte Shepherd sich nicht gegen diese Unterstellung. Ein Schweißtropfen rann ihm von der Nasenspitze und hinterließ einen dunklen Fleck auf dem Beton vor seinen Füßen.
    » Soll ich aus deinem Schweigen schließen, dass du tatsächlich dein Geschäft hier auf dem Gehsteig verrichten würdest? Bist du so ein Mensch, Shep? Bist du so einer? Sag ’ s mir, Shep!

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