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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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entschlossen Einlass. Eine Salve nach der anderen schlug in die senkrechten Bretter zwischen den Stufen, ließ Holz zersplittern, bohrte Löcher und erschütterte die gesamte Treppe unter Jilly, Shep und Dylan.

39
    Sobald sie den Absatz erreicht hatten und den zweiten Teil der Treppe in Angriff nahmen, fühlte Dylan sich sicherer, doch schon bald zeigte sich, dass seine Erleichterung verfrüht gewesen war. Drei Stufen über ihm platzte ein Geschoss aus dem Holz einer Stufe und schlug in die Wand ein.
    Dylan wurde klar, dass sich die Unterseite des zweiten Treppen teils gleich gegenüber der Haustür befand. Das Holz unter ihm stellte gewissermaßen die Rückwand eines Schießstands dar.
    Weiterzugehen war gefährlich, sich zurückzuziehen ergab schon gar keinen Sinn, und mitten auf der Flucht stehen zu bleiben bedeutete früher oder später den sicheren Tod. Deshalb packten sie Shepherds Gürtel noch fester, Jilly mit beiden Händen und Dylan mit einer, und zerrten, hievten, schleiften ihre Last weiter.
    Diesmal kam Sheps » Wo ist das ganze Eis? « in einem quietschenden Falsett.
    Jeden Moment erwartete Dylan einen Schuss in die Fußsohlen, einen Arm, die Unterseite seines Kinns oder sämtliche genannten Stellen. Als die drei den oberen Flur erreicht hatten, ohne wie eine Abbildung aus einem Lehrbuch für Gerichtsmedizin auszusehen, ließ Dylan seinen Bruder los und stützte sich mit der Hand auf den Endpfosten des Geländers, um Atem zu holen.
    Offenbar hatte auch Vonetta Beesley, die Haushälterin, früher am Tag die Hand auf den Pfosten gelegt. Als Dylan ihren psychischen Abdruck wahrnahm, flackerten Bilder von ihr in ihm auf. Er spürte den Drang, sie sofort zu suchen.
    Wäre das am Abend vorher geschehen, als er noch nicht gelernt hatte, seine Reaktion auf solche Reize zu beherrschen, dann hätte er sich womöglich ebenso tollkühn die Treppe hinab in den Kugelhagel gestürzt, wie er zu Marjories Haus an der Eucalyptus Avenue gerast war. Stattdessen riss er nun aber die Hand vom Pfosten weg und regulierte seine Empfindlichkeit gegenüber der Fährte.
    Jilly hatte Shepherd bereits von der Treppe weg weiter in den Flur gezogen. Sie hob die Stimme, um den donnernden Tumult unten zu übertönen, und flehte ihn an, sie alle drei hier wegzufalten.
    Als Dylan zu den beiden trat, sah er, dass sein Bruder noch immer im Packeis steckte. Das Thema » Eis « hüpfte offenbar so wild in Sheps Kopf herum, dass es praktisch alles andere ausblendete.
    Es gab keine Formel, um zu bestimmen, wie lange Shepherd brauchen würde, um sich aus dem Sumpf seiner neuesten Besessenheit zu ziehen, aber ein kluger Spieler hätte auf eine längere Periode der Zerstreuung gesetzt. Bis Shep aufwachte und die Welt um sich herum wahrnahm, würde es eher eine volle Stunde als zwei Minuten dauern.
    Sich ausschließlich auf eine simple Frage oder ein bestimmtes Thema zu konzentrieren war schließlich eine von Sheps Methoden, sich abzuschotten, wenn ihn der Ansturm von Sinnesreizen überwältigte.
    Inmitten eines Kugelhagels konnte er sich zwar nicht in eine sichere Ecke stellen, um dem Chaos den Rücken zuzuwenden, aber er konnte in einen dunklen Raum tief im Bollwerk seines Geistes fliehen, wo sich eine symbolische Ecke befand, in der man über nichts anderes mehr nachdenken musste als über Eis, Eis und Eis.
    » Wo ist das ganze Eis? «
    » Wenn die da unten fertig sind «, sagte Jilly, » was kommt dann? «
    » Sie nehmen den oberen Stock unter Beschuss. Vielleicht klettern sie dazu auf die Verandadächer. «
    » Vielleicht kommen sie auch rein «, meinte Jilly.
    » Eis, Eis, Eis. «
    » Wir müssen ihn von dieser Eisgeschichte wegbringen «, sagte Jilly.
    » Dazu braucht es Zeit und Ruhe. «
    » Dann sind wir erledigt. «
    » Wir sind nicht erledigt. «
    » Erledigt! «
    » Nicht erledigt! «
    » Hast du etwa einen Plan? «, fragte Jilly.
    Dylans einziger Plan, der eigentlich von Jilly stammte, hatte darin bestanden, dem Beschuss des Erdgeschosses zu entkommen. Nun wurde ihm klar, dass der Beschuss ihnen folgen würde, wo immer sie sich hinflüchteten, von den Schützen ganz zu schweigen.
    Das wütende Krachen und Scheppern unten und die Furcht, eine verirrte Kugel könnte den Weg durchs Treppenhaus oder direkt durch den Boden des Flurs finden, machten es nicht gerade leicht, sich auf eine mögliche Strategie zu konzentrieren. Da wäre es sogar leichter gewesen, eine Schlange mit dem Lasso zu fangen. Wieder zwangen die Umstände Dylan ein

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