Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
bohrten, gar nicht wahrnehmen.
    Nach den klirrenden Glaskaskaden, mit denen die Fenster zerborsten waren, hörte man Holz splittern und Gips zerplatzen. In den Wänden machten die von Kugeln getroffenen Leitungsrohre plonk-plonk-plonk.
    Dylans Herz klopfte kaninchenschnell, und er wusste, wie kleine wilde Tiere sich fühlen mussten, wenn ihre idyllische Umgebung am ersten Tag der Jagdzeit zum Schlachtfeld wurde.
    Offenbar kamen die Schüsse nur aus zwei Richtungen: aus Osten, also von der Rückseite des Hauses her, und aus Süden.
    Wenn die Killer an allen vier Seiten lauerten, was sie mit Sicherheit taten, dann hielten sich die im Westen und Norden vorerst bedeckt. Die Burschen waren zu professionell, um ein Kreuzfeuer zu verursachen, bei dem sie oder ihre Kumpane ums Leben kommen konnten.
    » Kriech auf dem Bauch weiter, Shep. « Dylan hob die Stimme, um den Lärm zu übertönen. » Kriech auf dem Bauch, mach schon, weg hier! «
    Shepherd blieb flach auf dem Boden liegen. Er hatte Dylan den Kopf mit geschlossenen Augen zugewandt. » Eis «, sagte er.
    Zwei der Fenster des Wohnzimmers gingen nach Süden, die vier anderen nach Westen. Die Scheiben der Südwand waren schon bei der ersten Salve zersplittert, die Westfenster dagegen waren noch immer heil. Selbst Querschläger hatten sie nicht getroffen.
    » Mach es wie eine Schlange «, sagte Dylan.
    Shep blieb starr liegen. » Eis, Eis, Eis. «
    Unerbittlich durchschlugen Salven die Südwand und drangen ins Wohnzimmer vor, wo sie die Möbel zu Kleinholz zerhackten und Lampen und Vasen zerschmetterten. Die dumpfen Schläge, mit denen sie sich in die Polstermöbel bohrten, zermürbten Dylan besonders, weil es möglicherweise genauso klang, wenn sie in einen Körper eindrangen.
    Obgleich Dylan mit dem Gesicht nur wenige Zentimeter von dem von Shep entfernt war, begann er zu brüllen. Er tat das teilweise, um trotz des höllischen Lärms gehört zu werden, teilweise in der Hoffnung, Shep dadurch zum Handeln zu bewegen, und teilweise, weil er wütend auf seinen Bruder war – vor allem aber, weil in ihm wieder der gerechte Zorn loderte, den er zum ersten Mal in jenem Haus an der Eucalyptus Avenue verspürt hatte, ein Zorn auf die Dreckskerle, die sich immer mit Gewalt durchsetzten und für die Gewalt das erste, zweite, letzte Mittel der Wahl war. » Verdammt Shep, willst du zulassen, dass sie uns umbringen, wie sie Mama umgebracht haben? Dass sie uns abschlachten und hier verrotten lassen? Sollen sie noch einmal damit davonkommen? Lässt du das zu, Shep, verdammt noch mal, lässt du das zu? «
    Es war Lincoln Proctor gewesen, der ihre Mutter getötet hatte, und die Killer da draußen hatten offenkundig etwas gegen Proctor und sein Lebenswerk, aber aus Dylans Sicht gehörten dieser Mann und die Gorillas zur selben Truppe. Sie trugen nur verschiedene Divisionsabzeichen der Armee der Finsternis.
    Vielleicht lag es an Dylans leidenschaftlichem Zorn, vielleicht auch an der verspäteten Erkenntnis, dass sie belagert wurden; jedenfalls stellte Shep seine eisige Litanei ein. Er ließ die Augen aufklappen. Das Grauen hatte ihn gefunden.
    Dylans Herz machte einen Sprung und beruhigte sich erst wieder, nachdem es ein, zwei Schläge ausgesetzt hatte, um darauf nur umso schneller zu schlagen. Er dachte, Shep würde sie beide gleich hier und jetzt davonfalten – ohne Jilly, die bereits den Flur erreicht hatte.
    Stattdessen beschloss Shep aber, es tatsächlich wie eine Schlange zu machen. Er polierte den Boden mit dem Bauch , während er durch das nordöstliche Viertel des Wohnzimmers auf den Flur zurobbte.
    Auf die Unterarme gestützt, schob er sich mit Ellbogen und aufgestellten Zehen so schnell vorwärts, dass Dylan Mühe hatte, ihm zu folgen.
    Gipsstücke, Holzsplitter, zerfetzter Dämmstoff und andere Trümmer regneten auf die zwei Krabbelnden herab. Zwischen ihnen und der Südwand stand ein beruhigender Wall aus Möbeln, der die tiefer gezielten Schüsse schluckte oder ablenkte, während die höheren über sie hinwegpfiffen.
    Das Zischen, mit dem die Geschosse durch den Raum sausten, klang so, als würde das Schicksal höchstpersönlich die Luft durch die Zähne einsaugen, aber immerhin hörte Dylan nicht das Kreischen von Schrapnell und roch weder Zyanid noch sonst etwas.
    Ein feiner Dunst aus Gipsstaub hüllte den Raum in einen surrealen Schleier, und Kissenfedern schwebten in der Luft, als hätte Reineke Fuchs ein Hühnerhaus überfallen.
    Shep schlängelte sich in den Flur und

Weitere Kostenlose Bücher