Kalt
zusammen.
Die Hochzeitsgäste begrüßten das Spektakel der weißen Flügel mit beifälligen Rufen, so als hätte es sich um ein eingeplantes Vorspiel der Zeremonie gehandelt. Entzückt ließen mehrere Kinder ein silberhelles Lachen ertönen.
» Es geht los «, sagte Jilly. Entsetzen verformte die Züge ihres blutüberströmten Gesichts.
Der Schwarm flog in Spiralen durch die Kirche, von der Familie der Braut zu der des Bräutigams und zurück, von einer Seite des Raums zur anderen.
Geistesgegenwärtig lief einer der Platzanweiser den Mittelgang entlang nach hinten, unter dem Baugerüst hindurch und dann durch die offenen Türen in den Vorraum. Offenbar hatte er vor, die Türen nach draußen aufzustoßen, um den geflügelten Eindringlingen einen ungehinderten Ausweg zu verschaffen.
Wie im Gleichklang mit dem Orgelspiel schwangen die Vögel sich empor und stießen wieder herab, während sie ihre segnenden Kreise zogen und sich langsam dem Eingang näherten. Vom Luftzug der offenen Türen und einem Spalt Son nenlicht angelockt, das nicht durch buntes Glas sickerte, nahmen sie den Weg, den der Platzanweiser ihnen eröffnet hatte, und flogen hinaus und davon. Nur einige leuchtend weiße Federn schwebten noch in der Luft.
Gebannt folgte Jilly mit den Augen einer dieser Federn, die von einem warmen Luftstrom in die Höhe getragen wurde, bis ihr Blick plötzlich erst auf das Gerüst an der Westseite des Raums und dann auf das an der Ostseite fiel. » Da oben! « , zischte sie.
Der Scheitelpunkt der Bogenfenster befand sich etwa sechs Meter über dem Boden. Die Plattform des Gerüsts lag noch etwas höher, damit die Restauratoren das einen Meter breite Band aus bemaltem Stuck erreichen konnten, das sich oberhalb der Fenster an den Wänden entlangzog.
Diese Plattform, auf der an Wochentagen gearbeitet wurde, war etwa eineinhalb Meter breit und damit fast so breit wie der Gang darunter. Konstruiert war sie aus Sperrholzplatten, die an den horizontalen Trägern des Gerüsts befestigt waren. Da die Arbeitslampen jetzt nicht brannten, war es dort oben dicht unter dem Gewölbe so dunkel, dass man nicht sehen konnte, wer da lauerte.
Die Rückwand des Raums hatte keine Fenster, der bemalte Fries setzte sich dort jedoch ebenso fort wie das Gerüst. Drei Meter von Dylan entfernt, dort wo Shepherd stand, war eine Leiter ans Gerüst montiert. Ihre runden Stangen waren mit fein geriffeltem Gummi überzogen.
Dylan ging zur Leiter und berührte eine der Sprossen über sich. Sofort spürte er die psychischen Fährten mehrerer übler Gestalten, die sich wie der Stich eines Skorpions anfühlten.
Jilly, die mit Dylan zur Leiter gehastet war, hatte in seiner Miene, seinen Augen offenbar eine unheilvolle Veränderung bemerkt. » O Gott, was ist? «, fragte sie ihn.
» Drei Männer «, sagte Dylan und nahm die Hand von der Leitersprosse. Dann spreizte und ballte er sie mehrfach, um di e d unkle Energie loszuwerden, die in ihn hineingekrochen war.
» Fanatiker. Leute voller Hass. Sie wollen die gesamte Hochzeitsgesellschaft niedermetzeln, den Priester und so viele Gäste, wie sie erwischen können. «
Jilly drehte sich zum Altar um. » Dylan! «, rief sie mit unterdrückter Stimme.
Er folgte ihrem starren Blick und sah, dass der Priester und zwei Ministranten sich schon im Chor befanden. Sie stiegen gerade die Stufen vom Hochaltar zum Geländer vor den Bankreihen hinab.
Aus einer Seitentür traten zwei Smoking tragende junge Männer und gingen auf den Mittelgang zu. Der Bräutigam und sein Trauzeuge.
» Wir müssen sie warnen «, sagte Jilly.
» Nein. Wenn wir losbrüllen, wissen sie nicht, wer wir sind, und kapieren womöglich nicht mal, was wir sagen. Sie werden nicht gleich reagieren, ganz im Gegensatz zu den Killern. Die werden sofort losballern. Die Braut erwischen sie dann zwar noch nicht, aber den Bräutigam und eine Menge Gäste. «
» Dann müssen wir da rauf «, sagte Jilly und griff nach der Leiter.
Dylan legte ihr die Hand auf den Arm, um sie aufzuhalten.
» Nein «, sagte er, » das gibt Vibrationen. Das ganze Gerüst wird zittern. Sie werden spüren, wie wir hochklettern, und merken, dass wir kommen. «
Shepherd stand in einer für ihn äußerst ungewöhnlichen Haltung da. Er war nicht in sich zusammengesunken und blickte auf den Boden, sondern hatte den Kopf in den Nacken gelegt und beobachtete eine in der Luft schwebende Feder.
Dylan trat zwischen die Feder und seinen Bruder, um ihm direkt in die Augen zu
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