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Kalt

Kalt

Titel: Kalt
Autoren: Dean R. Koontz
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für einen geliebten, mitternachtsblauen Cadillac Coupe DeVille, voll beladen.
    Stattdessen fand sie einen ungeöffneten Beutel Erdnüsse, offenbar ein Relikt des Vertreters, der keiner war, und einen toten, aber noch immer bedrohlich aussehenden Käfer von der Größe und Form einer halben Avocado. Das Insekt, das rücklings auf seinem glänzenden Panzer lag und sechs steife Beine in die Luft streckte, entlockte Jilly wesentlich weniger Mitgefühl, als es ein Kätzchen oder Hündchen im selben Zustand getan hätte.
    Angesichts ihres mangelnden Interesses an Entomologie ließ sie den gesträubten Käfer unberührt liegen, bückte sich jedoch, um den Beutel Erdnüsse vom Boden aufzuheben. Da sie sich ausgiebig mit den Kriminalromanen von Agatha Christie beschäftigt hatte, war sie beim Anblick der Erdnüsse sogleich zu der Überzeugung gelangt, dass diese ein wertvolles Indiz darstellten, für das die Polizei dankbar sein würde.
    Als sie sich wieder aufrichtete, merkte sie, dass die warme, trockene Luft sie doch nicht so vollständig von den Nachwirkungen des Betäubungsmittels gereinigt hatte wie gedacht. Während ein Schwindelgefühl an- und wieder abschwoll, fragte sie sich, ob sie sich nicht geirrt hatte, was den Standort ihres Wagens betraf. Vielleicht hatte der sechs Meter links von ihrem Motelzimmer gestanden statt rechts.
    Sie spähte in diese Richtung und sah in etwa vier bis fünf Metern Entfernung einen weißen Ford Expedition stehen. Womöglich stand ihr Cadillac ja auch auf der anderen Seite dieses Wagens.
    Jilly trat über den Käfer und kehrte auf den überdachten Gehsteig zurück. Während sie sich dem Ford näherte, wurd e i hr klar, dass sie in Richtung der Getränkeautomaten ging. Dort würde sie unweigerlich jenes Malzbier vorfinden, mit dem das ganze Schlamassel überhaupt erst begonnen hatte.
    Als sie an dem weißen Ford vorbeigegangen war, ohne ihren Cadillac zu finden, sah sie zwei Männer auf sich zueilen. » Der grinsende Bastard hat meinen Wagen geklaut «, sagte sie, bevor sie merkte, auf was für ein merkwürdiges Paar sie da gestoßen war.
    Der erste Kerl, groß und kräftig wie ein professioneller Footballspieler, trug eine Schachtel von der Größe eines Pizza -K artons, auf der er ein Paar Schuhe balancierte. Trotz seiner imposanten Gestalt wirkte er überhaupt nicht bedrohlich; vielleicht lag es ja daran, weil er an einen Bären erinnerte – nicht an einen Zähne fletschenden Grizzlybären, sondern an die stämmige Sorte, die in Disneyfilmen mit dem Hintern immer in Schaukelreifen stecken blieb. Er trug zerknitterte Khakihosen und ein gelbblaues Hawaiihemd, und der Ausdruck in den weit aufgerissenen Augen wies darauf hin, dass er gerade einen Bienenkorb ausgeraubt hatte und damit rechnete, gleich von einem Schwarm wütender Stechtiere verfolgt zu werden.
    Neben ihm ging ein kleinerer, jüngerer Mann, vielleicht etwas über eins fünfundsiebzig groß und gut siebzig Kilo schwer, in Bluejeans und einem weißen T-Shirt mit dem Porträt von Wile E. Coyote, dem glücklosen Raubtier der Road-Runner -Z eichentrickfilme. Er trug keine Schuhe und begleitete seinen Gefährten nur widerwillig; die rechte Socke saß ihm offenbar gut am Fuß, während die linke lose war und bei jedem Schritt auf den Boden schlappte.
    Obwohl der Kojoten-Fan mit schlaff herabhängenden Armen dahertrottete, ohne sich zu wehren, hatte Jilly den Eindruck, dass er dem bärenhaften Hünen lieber nicht gefolgt wäre, dieser zog ihn nämlich am linken Ohr mit sich. Zuerst glaubte sie, ihn gegen diese Demütigung aufbegehren zu hören, doch als das Paar näher kam und sie ihn deutlicher ver stehen konnte, waren seine Worte kaum als Protest zu interpretieren.
    » … Elektrolumineszenz, Kathodenlumineszenz … «
    Der Bär blieb vor Jilly stehen, wodurch auch sein kleinerer Begleiter zum Stehen kam. Mit einer Stimme, die wesentlich tiefer, aber nicht weniger sanft war als die von Pu dem Bären, sagte er: » Verzeihung, Ma ’ am, ich habe Sie nicht ganz verstanden. «
    Mit durch den Zug an seinem linken Ohr seitlich geneigtem Kopf redete der jüngere Mann inzwischen einfach weiter. Was er sagte, war allerdings wohl weder für seinen stämmigen Wärter noch für Jilly gedacht: » … Nimbus, Aureole, Halo, Korona, Parhelion … «
    Jilly war sich nicht sicher, ob diese Begegnung wirklich so merkwürdig war, wie sie ihr vorkam, oder ob die Nachwirkungen des Betäubungsmittels ihre Wahrnehmung verzerrten. Ihre vernünftige
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