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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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verkauft.«
    » ’tschuldigung. Sprechen Sie weiter.«
    »Als wir den Safe nicht finden konnten, knipste Dick die Taschenlampe aus, und wir schlichen uns im Dunkeln vom Büro ins Wohnzimmer. Dick flüsterte mir zu, ich soll gefälligst leiser gehen. Dabei war er genauso laut. Jeder Schritt machte einen Heidenlärm. Wir kamen in einen Flur, und plötzlich standen wir vor einer Tür, und Dick meinte, laut Zeichnung müsste das eigentlich das Schlafzimmer sein. Er schaltete die Taschenlampe wieder an und machte die Tür auf. Ein Mann sagte: ›Schatz?‹ Er hatte geschlafen, und er blinzelte und sagte: ›Bist du das, Schatz?‹ Dick fragte: ›Sind Sie Mr. Clutter?‹ Jetzt war er hellwach; er setzte sich auf und fragte: ›Wer sind Sie? Was wollen Sie?‹ Sehr höflich, als wären wir zwei Vertreter, sagte Dick: ›Wir würden gern mit Ihnen sprechen, Sir. In Ihrem Büro, wenn ich bitten darf.‹ Und Mr. Clutter, barfuß und im Schlafanzug, ging mit uns in sein Büro, und wir machten das Licht an.
    Bis dahin hatte er uns nicht richtig sehen können. Ich glaube, was er sah, jagte ihm einen Höllenschreck ein.
    Dick sagte: ›Sir, wenn Sie uns jetzt bitte zeigen würden, wo Ihr Safe ist.‹ Aber Mr. Clutter sagte: ›Welcher Safe?‹ Er sagte, er hätte keinen Safe. Ich wusste sofort, dass er die Wahrheit sagte. Das sah man ihm deutlich an. So ein Gesicht kann gar nicht lügen. Aber Dick schrie ihn an:
    ›Red keinen Scheiß, du Arschloch! Ich weiß genau, dass du ’nen Safe hast!‹ So hatte anscheinend noch nie jemand mit Mr. Clutter gesprochen. Aber er sah Dick in die Augen und erklärte ihm mit freundlicher Stimme, es täte ihm leid, aber er hätte wirklich keinen Safe. Dick setzte ihm das Messer auf die Brust und sagte: ›Wenn du uns nicht sofort zeigst, wo der Scheißsafe ist, wird es dir erst recht leidtun.‹ Aber Mr. Clutter – man sah ihm an, dass er Angst hatte, aber seine Stimme blieb freundlich und ruhig – beteuerte nur immer wieder, er hätte keinen Safe.
    Ich kümmerte mich derweil ums Telefon. Das im Büro.
    Ich riss die Kabel raus. Und ich fragte Mr. Clutter, ob es im Haus noch mehr Telefone gäbe. Er sagte, ja, in der Küche wär noch eins. Also nahm ich die Taschenlampe und ging in die Küche – vom Büro aus war das ein ganzes Stück. Als ich das Telefon gefunden hatte, nahm ich den Hörer ab und schnitt die Leitung mit einer Zange durch.
    Auf dem Rückweg hörte ich ein Geräusch. Ein Knarren, oben im ersten Stock. An der Treppe blieb ich stehen. Es war dunkel, und ich traute mich nicht, die Taschenlampe anzumachen. Aber ich spürte, dass da oben jemand war.
    Eine Gestalt, oben an der Treppe. Sie hob sich als Silhouette gegen das Fenster ab. Dann plötzlich war sie verschwunden.«
    Vermutlich Nancy, schießt es Dewey durch den Kopf. Er hat sich, aufgrund der in einer Schuhspitze verborgenen goldenen Armbanduhr, eine Theorie zurechtgelegt, nach der Nancy aufgewacht war und, als sie unten im Haus Fremde hörte, die sie für Diebe hielt, die Uhr, ihren wertvollsten Besitz, vorsorglich im Kleiderschrank versteckte.
    »Ich dachte, deroder diejenige ist vielleicht bewaffnet.
    Aber das hat Dick nicht die Bohne interessiert. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, den harten Burschen zu markieren. Und Mr. Clutter rumzukommandieren. Inzwischen hatte er ihn ins Schlafzimmer zurückgebracht und zählte das Geld in Mr. Clutters Brieftasche. Es waren etwa dreißig Dollar. Er warf die Brieftasche aufs Bett und sagte:
    ›Du hast doch garantiert noch mehr Kohle im Haus. Ein reicher Sack wie du. Mit so ’ner Hütte.‹ Mr. Clutter sagte, das wär alles, was er an Bargeld hätte, und erklärte, dass er prinzipiell alles per Scheck bezahlt. Er bot uns einen Scheck an. Dick ging in die Luft – ›Für wie bescheuert hältst du uns eigentlich?‹ –, und ich dachte, gleich haut er ihm eins in die Fresse, darum sagte ich: ›Dick. Hör zu. Da oben geistert jemand rum.‹ Mr. Clutter sagte, oben wären nur seine Frau, sein Sohn und seine Tochter. Dick wollte wissen, ob seine Frau Geld hätte, und Mr. Clutter sagte, wenn, dann nur sehr wenig, höchstens ein paar Dollar, und er bat uns – nein, flehte uns an –, sie um Himmels willen in Ruhe zu lassen, sie wär ein Pflegefall und schon seit langem sehr, sehr krank. Aber Dick wollte unbedingt nach oben. Er ließ Mr. Clutter vorgehen. Unten an der Treppe machte Mr. Clutter das Flurlicht an, und als wir nach oben gingen, sagte er: ›Ich verstehe nicht, warum ihr

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