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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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anschaulich belegen.
    Bis zu jenem verhängnisvollen Tag Mitte November 1959 war der Name Holcomb den meisten Menschen in Amerika, geschweige denn in Kansas, völlig unbekannt.
    Wie das Wasser des Flusses, die Autos auf dem Highway und die Schnellzüge auf ihrem Weg nach Santa Fe war alles Dramatische, in Gestalt außergewöhnlicher Ereignisse, stets spurlos an dem kleinen Ort vorbeigezogen.
    Seinen zweihundertsiebzig Einwohnern war das nur recht, konnten sie auf diese Weise doch ungestört ihrem Alltag nachgehen – arbeiten, jagen, fernsehen, Schulfeste, Chorproben, Vereinstreffen des 4-H Club. Doch dann, in den frühesten Stunden jenes spätherbstlichen Sonntagmorgens, brachten fremde Laute die gewohnten nächtlichen Geräusche Holcombs – das klagende Heulen der Kojoten, das trockene Knistern umhertorkelnder Steppenhexen, das schrille Pfeifen einer Lokomotive in der Ferne – schlagartig zum Verstummen. Niemand im schlafenden Holcomb hörte sie – vier Gewehrschüsse, die, alles in allem, sechs Menschen das Leben kosteten. Seither jedoch ertappten sich Leute, die zuvor derart vertrauensselig gewesen waren, dass sie es nicht für nötig hielten, auch nur ihre Haustür zu verschließen, dabei, wie sie sie in ihrer Fantasie immer und immer wieder Revue passieren ließen – jene unheilvollen Explosionen, die ein Feuer des Misstrauens entfachten, in dessen Schein viele alteingesessene Nachbarn einander plötzlich skeptisch und wie Fremde beäugten.
     
    Herbert William Clutter, der Besitzer der River Valley Farm, war achtundvierzig Jahre alt und, wie eine ärztliche Untersuchung zwecks Erwerbs einer Versicherungspolice unlängst ergeben hatte, in erstklassiger Verfassung. Obwohl er eine randlose Brille trug und nur gut ein Meter siebenundsiebzig maß, machte Mr. Clutter eine durchaus stattliche Figur. Er hatte breite Schultern und dunkles, noch nicht angegrautes Haar, sein kantiges, energisches Gesicht hatte eine gesunde, jugendliche Farbe, und seine kräftigen, strahlend weißen Zähne, mit denen er mühelos Walnüsse knacken konnte, waren kerngesund. Er wog knapp siebzig Kilo – und hatte seit dem Abschluss seines Landwirtschaftsstudiums an der Kansas State University nicht ein Gramm zugelegt. Zwar war er nicht so reich wie der reichste Mann in Holcomb – sein Nachbar, der Farmer Taylor Jones –, dafür aber der angesehenste Bürger der Gemeinde und sogar in Garden City wohlbekannt, der nahe gelegenen Kreisstadt, wo er die Kommission für den Bau der kürzlich fertiggestellten First Methodist Church geleitet hatte, ein Achthunderttausend-Dollar-Projekt. Gegenwärtig saß er der Kansas Conference of Farm Organizations vor und genoss einen hervorragenden Ruf, nicht nur bei den Landwirten des Mittleren Westens, sondern auch bei den Agrarexperten in Washington, wo er unter der Regierung Eisenhower dem Federal Farm Credit Board angehört hatte.
    Mr. Clutter hatte immer schon gewusst, was er wollte, und dies im Großen und Ganzen auch erreicht. An dem durch eine Landmaschine verstümmelten Ringfinger seiner linken Hand trug er einen schlichten goldenen Ring, als Symbol seiner inzwischen zweieinhalb Jahrzehnte währenden Ehe mit der Frau, die er auf der Stelle hatte heiraten wollen – die Schwester eines ehemaligen Kommilitonen, ein zartes, schüchternes und frommes Mädchen namens Bonnie Fox, das drei Jahre jünger war als er. Sie hatte ihm vier Kinder geschenkt – drei Töchter und einen Sohn. Die älteste Tochter, Eveanna, verheiratet und Mutter eines zehn Monate alten Jungen, lebte in Nord-Illinois, kam jedoch häufig zu Besuch nach Holcomb. Sie und ihre Familie wurden schon bald wieder erwartet, denn ihre Eltern planten eine große Thanksgiving-Feier mit dem gesamten Clutter-Clan (der ursprünglich aus Deutschland stammte; der erste Clutter – oder Klotter, wie er sich damals schrieb – war 1880 in die Staaten eingewandert); sie hatten über fünfzig Verwandte eingeladen, die zum Teil aus so entlegenen Orten wie Palatka, Florida, anreisen sollten. Auch Beverly, die zweitälteste Tochter, wohnte nicht mehr auf der River Valley Farm; sie besuchte die Schwesternschule in Kansas City, Kansas. Beverly war mit einem jungen, ihrem Vater überaus genehmen Biologiestudenten verlobt; die Einladungen zur Hochzeit, die gleich nach Weihnachten stattfinden sollte, waren bereits gedruckt. Bei den Eltern lebten nur noch Kenyon, der Sohn, der schon mit fünfzehn größer war als Mr. Clutter, und seine um ein Jahr ältere

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