Kaltblütig
und legte es ihm in einer Schlinge um den Hals, sodass er sich erdrosseln würde, wenn er versuchte, sich zu befreien. Zwischendurch legte ich das Messer auf eine Truhe – eine frisch lackierte Zederntruhe; der ganze Keller roch nach Lack –, und er bat mich, es woanders hinzulegen. Die Truhe war ein Hochzeitsgeschenk, er hätte sie selbst gebaut. Für seine Schwester, glaube ich. Ich wollte gerade wieder gehen, da kriegte er einen Hustenanfall, darum stopfte ich ihm ein Kissen unter den Kopf. Dann machte ich das Licht aus …«
Dewey sagt: »Den Mund hatten Sie ihnen nicht verklebt?«
»Nein. Das kam erst später, nachdem ich die beiden Frauen in ihren Zimmern gefesselt hatte. Mrs. Clutter weinte die ganze Zeit und fragte mich nach Dick. Sie würde ihm nicht trauen, hätte aber das Gefühl, ich war ein anständiger junger Mann. Da bin ich sogar ganz sicher, sagte sie, und nahm mir das Versprechen ab, dafür zu sorgen, dass Dick keinem etwas tut. Ich glaube, dabei dachte sie in erster Linie an ihre Tochter. Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich ahnte, dass Dick etwas im Schilde führte, das mir gegen den Strich ging. Und siehe da, als ich Mrs. Clutter gefesselt hatte, stellte ich fest, dass er mit dem Mädchen in ihrem Zimmer verschwunden war. Sie lag im Bett, und er saß auf der Kante und redete mit ihr. Ich ging sofort dazwischen und sagte, er solle schon mal nach dem Safe suchen, ich würde solang das Mädchen fesseln. Als er weg war, fesselte ich ihre Füße und band ihr die Hände auf den Rücken. Dann zog ich die Decke hoch und steckte sie an den Seiten fest, bis nur noch ihr Kopf rausschaute.
Neben dem Bett stand ein kleiner Sessel, und ich dachte, ich ruhe mich ein bisschen aus; meine Beine brannten wie Feuer – kein Wunder, nach dem ganzen Treppe rauf und wieder runter und dem Rumgekrauche auf dem Boden.
Ich fragte Nancy, ob sie einen Freund hat. Sie sagte ja. Sie versuchte, sich so freundlich und unverkrampft wie möglich zu geben. Sie gefiel mir. Sie war richtig nett. Ein ausgesprochen hübsches Mädchen und gar nicht verzogen oder so. Sie erzählte mir ziemlich viel von sich.
Von der Schule und dass sie zur Universität gehen und Musik und Kunst studieren wollte. Pferde. Sie sagte, außer Tanzen gäbe es für sie nichts Schöneres, als auf einem Pferd zu galoppieren, da erzählte ich ihr, dass meine Mutter Meisterin im Rodeoreiten war.
Und wir sprachen über Dick; ich wollte wissen, was er ihr erzählt hatte. Sie hatte ihn anscheinend gefragt, warum er so was macht. Leute ausrauben. Und er hatte ihr eine Schmonzette sondergleichen aufgetischt – von wegen, er war als Waisenkind im Waisenhaus aufgewachsen, und es hätte ihn keiner richtig lieb gehabt, und seine einzige Verwandte war seine Schwester, die sich mit Männern rumtreibt und gar nicht daran denkt, zu heiraten. Und während wir uns unterhielten, hörten wir, wie dieser Irre auf der Suche nach dem Safe die ganze Bude auf den Kopf stellte. Die Bilder von der Wand riss.
Die Wände abklopfte. Tock, tock, tock. Wie ein wild gewordener Specht. Als er wiederkam, fragte ich ihn, aus purer Bosheit, ob er ihn gefunden hätte. Natürlich nicht, dafür aber ein zweites Portemonnaie, in der Küche. Mit sieben Dollar drin.«
Duntz sagt: »Wie lange waren Sie zu diesem Zeitpunkt schon im Haus?«
»Etwa eine Stunde.«
Duntz sagt: »Und wann haben Sie ihnen den Mund verklebt?«
»Gleich danach. Bei Mrs. Clutter fingen wir an. Ich ließ mir von Dick helfen – weil ich ihn mit dem Mädchen nicht alleine lassen wollte. Ich schnitt das Klebeband in lange Streifen, und Dick wickelte sie Mrs. Clutter um den Kopf, wie man eine Mumie einwickelt. Er fragte sie:
›Warum heulen Sie eigentlich die ganze Zeit? Es tut Ihnen doch keiner was‹, und er machte die Nachttischlampe aus und sagte: ›Gute Nacht, Mrs. Clutter. Schlafen Sie gut.‹
Und als wir über den Flur zu Nancys Zimmer gehen, sagt er zu mir: ›Die Kleine nehm ich mir jetzt vor.‹ Und ich sagte: ›So, so. Aber nur über meine Leiche.‹ Er sah mich an, als traute er seinen Ohren nicht. Er sagt: ›Was juckt’s dich? Du kannst sie dir doch auch vornehmen.‹ Also, so was kann ich ja nun auf den Tod nicht ausstehen. Wenn sich einer sexuell nicht unter Kontrolle hat, Gott, wie ich das hasse. Ich sagte es ihm ins Gesicht: ›Lass sie in Ruhe.
Sonst kriegst du’s mit mir zu tun.‹ Er kochte vor Wut, aber er wusste, dass für eine handfeste Schlägerei jetzt nicht der
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