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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Freund nach einem Augenblick angestrengten Nachdenkens erwiderte:
    »Wenn ich’s mir recht überlege, höre ich eigentlich auch nicht besonders«), und es galt als sicher, dass die Auswahl der Geschworenen mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Zu aller Erstaunen war die Prozedur nach knapp vier Stunden beendet; mehr noch, die Jury einschließlich zweier Ersatzgeschworener wurde aus den ersten vierundvierzig Kandidaten rekrutiert. Sieben wurden von der Verteidigung als befangen abgelehnt, drei auf Wunsch der Anklage von ihrer Pflicht befreit; weitere zwanzig wurden entlassen, weil sie entweder gegen die Todesstrafe waren oder aber einräumten, sich bereits eine feste Meinung hinsichtlich der Schuld der Angeklagten gebildet zu haben.
    Die Gruppe der vierzehn gewählten Männer setzte sich zusammen aus einem halben Dutzend Farmern, einem Apotheker, dem Leiter einer Kindertagesstätte, einem Flughafenangestellten, einem Brunnenbauer, zwei Handelsvertretern, einem Maschinisten und dem Geschäftsführer von Rays Bowling Alley. Alle waren Familienväter (einige hatten fünf oder mehr Kinder) sowie aktive Mitglieder örtlicher Kirchengemeinden. Bei der Befragung durch das Gericht hatten vier von ihnen angegeben, Mr. Clutter persönlich, wenn auch nicht näher gekannt zu haben, auf Nachfrage jedoch versichert, dass dieser Umstand sie mitnichten hindern werde, zu einem gerechten Urteil zu gelangen. Der Flughafenangestellte, ein Mann mittleren Alters namens N. L. Dunnan, antwortete auf die Frage, wie er zur Todesstrafe stehe: »Normalerweise bin ich dagegen. Aber in diesem Fall nicht …« – eine Erklärung, die ihn nach Ansicht mancher Zuhörer eindeutig als befangen auswies. Dennoch wurde Dunnan als Geschworener zugelassen.
    Die Angeklagten schenkten dem Auswahlverfahren keine allzu große Beachtung. Tags zuvor hatte Dr. Jones, der Psychiater, der sich bereit erklärt hatte, sie zu untersuchen, sie jeweils etwa zwei Stunden lang befragt: Nach der Befragung hatte er den beiden vorgeschlagen, einen Lebenslauf zu schreiben, und genau damit waren die Beschuldigten beschäftigt, während die Jury zusammengestellt wurde. Hickock und Smith saßen jeder an einem Ende des Anklagetisches; Hickock benutzte einen Füller, Smith einen Bleistift.
    Smith schrieb:
     
    Ich, Perry Edward Smith, wurde am 27. Oktober 1928 in Huntington, Elko County, Nevada, geboren, also quasi am Ende der Welt. Ich erinnere mich, dass die Familie 1929 nach Juneau, Alaska, zog. Zur Familie gehörten mein Bruder Tex jr. (er änderte seinen Namen später in James, weil er wegen des Namens »Tex« gehänselt wurde & weil er meinen Vater glaube ich schon als Kind hasste – der Einfluss meiner Mutter). Meine Schwester Fern (Auch sie änderte ihren Namen – in Joy). Meine Schwester Barbara. Und ich … In Juneau handelte mein Vater mit schwarz gebranntem Schnaps. Ich glaube, während dieser Zeit fing meine Mutter an zu trinken. Mom & Dad stritten sich immer öfter. Ich weiß noch, wie meine Mutter einmal mehrere Seeleute »bewirtete«, als mein Vater nicht zu Hause war. Als er wiederkam, gab es Krach, und nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung warf er die Seeleute raus & vermöbelte dann meine Mutter. Ich hatte schreckliche Angst, meine Geschwister nicht minder. Ich weinte. Ich hatte solche Angst, weil ich dachte, mein Vater tut mir etwas an und weil er meine Mutter schlug. Ich begriff nicht recht, warum er sie schlug, hatte aber das Gefühl, dass sie etwas furchtbar Schlimmes getan haben musste … Dann erinnere ich mich dunkel, wie wir in Fort Bragg, Kalif. lebten. Mein Bruder hatte ein Luftgewehr geschenkt bekommen. Damit hatte er einen Kolibri erschossen, und nachdem er ihn erschossen hatte, tat es ihm leid. Ich bat ihn, auch mit dem Luftgewehr schießen zu dürfen. Er stieß mich weg und sagte, dazu war ich noch zu klein. Das machte mich so wütend, dass ich anfing zu weinen. Aber davon wurde ich nur noch wütender, und abends schnappte ich mir das Luftgewehr, das am Stuhl meines Bruders lehnte & hielt es meinem Bruder ans Ohr & brüllte P E N G! Mein Vater (oder meine Mutter) schlug mich, und ich musste mich entschuldigen. Mein Bruder schoss immer auf das große weiße Pferd eines Nachbarn, der auf seinem Weg in die Stadt bei uns vorbeiritt. Der Nachbar entdeckte meinen Bruder und mich im Gebüsch, wo wir uns versteckt hatten, schleppte uns zu Dad & wir bekamen eine Tracht Prügel & mein Bruder kriegte sein Luftgewehr weggenommen, und ich war

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