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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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zweihundertfünfundzwanzig Meilen der einzige Ort, wo Sie solche Leute finden – Mediziner, die über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, um ein seriöses psychiatrisches Gutachten zu erstellen. Das braucht Zeit. Vier bis acht Wochen. Aber die Ärzte, mit denen ich darüber gesprochen habe, wären in der Lage, sofort mit der Arbeit zu beginnen; und da es sich um eine staatliche Einrichtung handelt, kostet das das County selbstverständlich keinen Cent.«
    Der stellvertretende Staatsanwalt Logan Green lehnte diesen Vorschlag unumwunden ab, weil er befürchtete, dass die Verteidigung im anstehenden Verfahren auf »vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit« plädieren wollte und infolgedessen, wie er in einem privaten Gespräch prophezeite, eine »Bande« von den Angeklagten wohlgesinnten »Seelenklempnern« den Zeugenstand erklimmen würde (»Diese Kerle, die immer nur Mitleid mit den Killern haben. Kein Gedanke an die Opfer«).
    Klein, kampflustig und aus Kentucky stammend, belehrte Green das Gericht zunächst darüber, dass das Gesetz des Staates Kansas sich in Fragen geistiger Gesundheit an der alten, aus England importierten M’Naghten Rule orientiere, wonach der Beschuldigte, so er sich des Wesens und der Schwere seiner Tat bewusst ist, als zurechnungsfähig zu gelten hat und für sein Handeln zur Verantwortung gezogen werden kann. Im Übrigen, so Green, sei in den einschlägigen Rechtsvorschriften keine Rede davon, dass die mit der Beurteilung des Geisteszustands eines Angeklagten betrauten Ärzte über eine besondere Qualifikation verfügen müssten: »Ganz normale Ärzte. Allgemeinmediziner. Mehr ist laut Gesetz nicht nötig.
    Wir prüfen in diesem County jedes Jahr zahlreiche Angeklagte auf ihre geistige Zurechnungsfähigkeit. Wir haben dabei noch nie jemanden aus Larned oder anderen psychiatrischen Einrichtungen hinzugezogen. Das erledigen unsere hiesigen Ärzte. Es lässt sich schließlich relativ problemlos feststellen, ob jemand geisteskrank, schwachsinnig oder debil ist … Insofern ist es vollkommen unnötig und reine Zeitverschwendung, die Angeklagten nach Larned zu schicken.«
    Rechtsanwalt Smith wandte ein, in vorliegendem Fall gehe es um »weitaus schwerwiegendere Dinge als die Klärung der Zurechnungsfähigkeit vor dem Erbschaftsgericht. Hier stehen zwei Menschenleben auf dem Spiel.
    Was auch immer diese beiden Männer verbrochen haben mögen, sie haben ein Anrecht darauf, von erfahrenen und fachkundigen Ärzten untersucht zu werden. Die Psychiatrie«, setzte er an den Richter gewandt hinzu, »hat in den vergangenen zwanzig Jahren große Fortschritte gemacht.
    Die Bundesgerichte greifen beim Umgang mit mutmaßlichen Straftätern immer häufiger auf ihre Erkenntnisse zurück. Mir scheint, wir haben die einmalige Gelegenheit, uns die neuen Errungenschaften auf diesem Gebiet zunutze zu machen …«
    Eine Gelegenheit, die der Richter lieber vorübergehen ließ, denn glaubt man einem seiner Kollegen, ist Tate »ein klassischer Paragrafenreiter, er macht keine Experimente, er hält sich strikt an den Wortlaut des Gesetzes«; aber derselbe Kritiker sagte auch: »Wäre ich unschuldig, wäre er der Erste, den ich mir auf dem Richterstuhl wünschen würde; wäre ich schuldig, der Letzte.« Richter Tate wies den Antrag jedoch nicht rundweg ab; er tat vielmehr genau das, was das Gesetz verlangte, und beauftragte ein Ärztetrio aus Garden City, ein Urteil über den Geisteszustand der Angeklagten abzugeben. (Worauf die dreiköpfige Kommission mit den Beschuldigten zusammentraf und nach etwa einstündiger Begutachtung verkündete, weder Smith noch Hickock seien geisteskrank.
    Als ihm die Diagnose mitgeteilt wurde, sagte Perry Smith:
    »Woher wollen die das wissen? Die waren doch nur scharf darauf, die blutigen Details aus dem Mund der Killer zu hören. Ihre Augen haben richtiggehend geglänzt vor Freude.« Auch Hickocks Anwalt war verärgert; er fuhr ein zweites Mal nach Larned, um einen Psychiater zu finden, der bereit war, nach Garden City zu kommen und die Angeklagten unentgeltlich zu befragen. Der einzige Freiwillige, Dr. W. Mitchell Jones, war für diese Aufgabe wie geschaffen; der kaum Dreißigjährige, ein Spezialist für Kriminalpsychologie und die Behandlung geisteskranker Straftäter, der in Europa und den Vereinigten Staaten studiert und gearbeitet hatte, erbot sich, Hickock und Smith zu untersuchen und, falls das Ergebnis dies rechtfertigte, zu ihren Gunsten auszusagen.) Am Morgen des 14. März

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