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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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hielt er einen verführerischen kleinen Plastikbeutel. Er setzte sich zu Lydia, streichelte ihr über das Haar und sagte: »Entschuldigung, dass ich gerade so abweisend war. Ich hatte echte Probleme.« Zärtlich fuhr er mit dem Plastikbeutel über die Konturen ihres Gesichts. Sie lächelte.
    »Kein Problem, Schatz«, sagte sie. Ihre Augen gierten den weißen Inhalt des Tütchens an.
    »Ich habe einen neuen Job für dich. Du müsstest aber häufiger in Amsterdam arbeiten. Wäre das ein Problem?«, fragte er.
    Lydia schüttelte den Kopf. Für den Stoff vor ihrer Nase hätte sie alles gegeben. Warum nicht in Amsterdam arbeiten? Ob sie nun hier in einer seiner Kneipen ihren Arsch hinhielt oder in seinem Laden in Holland. Egal. Hauptsache, er würde sie mit Heroin versorgen.
    »Prima«, sagte er. »Hier hast du dein Leckerchen.«
    Zitternd öffnete Lydia den Beutel, verteilte den Stoff auf dem Tisch und zog ihn mit einem Strohhalm durch die Nase. Fixerbesteck duldete Fritjof Hansen in seiner Wohnung nicht.
    Wenig später hob sie ab. Welcome on board of Paradise Airways.
    ***
     
    Günter fuhr nach Lübeck, genau genommen nach Herrnburg, einem kleinen Ort südöstlich der Marzipanstadt. Süßes wollte und bekam er dort ausreichend, obwohl er kein Freund süßer Lebensmittel war.
    Karin begrüßte ihn, kaum dass er das »Ceasar’s Palace« betreten hatte. »Hallo, Günter«, flötete die Anfang Dreißigjährige, sehr schlanke Mitinhaberin des Lokals. »Schön, dass du heute auch wieder da bist.«
    Es wirkte wie das Begrüßungsritual alter Freunde – der gehauchte Kuss auf die Wange inklusive. In gewisser Weise war er auch ein Freund, denn er gehörte zu den Stammgästen des Clubs.
    Ja, schön, wieder hier zu sein, fand auch Günter, als er Karins Catsuit begutachtete. Sie trug praktisch nichts. Das Einzige, was sich dem vollständigen Nichts in den Weg stellte, war ein grobmaschiges, eng am Körper anliegendes Netz. Darunter schimmerte ihre helle weiße Haut.
    Er bezahlte den Eintritt, und sie gab ihm einen Schlüssel für die Garderobenschränke in der ersten Etage sowie den ersten Satz Handtücher. Auf der Treppe kamen Günter einige Paare entgegen, die nach den ersten Erlebnissen des Abends auf dem Weg zurück ins Erdgeschoss waren. Sie wollten etwas trinken oder essen. Vielleicht suchten sie auch nur weitere Spielgefährten.
    Günter ging in den Umkleidebereich und zog sich um. Das größte Problem für Männer in Swingerclubs ist die Kleidungsfrage. Es gibt kaum wirklich attraktive, erotisierende Wäsche für Männer, es sei denn, man will wirken wie der Lustboy einer Elton-John-Party in den Siebzigern. Doch bei Frauen haben weder getigerte Pants noch Stringtangas und schon gar nicht neckische Unterhosen, bei denen das beste Stück in den Rüssel eines auf den Schritt aufgesetzten Elefanten gesteckt werden kann, einen lustauslösenden Effekt.
    Günter trug deshalb aus Erfahrung ein schwarzes Seidenhemd und ebenfalls schwarze Boxershorts. Er brauchte sich seiner Figur nicht zu schämen, trotz seiner inzwischen neunundvierzig Jahre. Bei einem Meter siebenundachtzig Körpergröße und fünfundachtzig Kilogramm Gewicht, einem trainierten Körper und wenigen Fettpolstern konnte man ihn als attraktiv bezeichnen. Seine Haarpracht war nicht von Ausfall beeinträchtigt, und die wenigen grauen Anteile ließ er durch einen verständnisvollen Friseur eliminieren.
    Günter öffnete gerade seinen Stahlschrank – einen von der Sorte, wie man sie aus Schwimmbädern, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen kennt –, als ihn Christine wie einen alten Freund umarmte und willkommen hieß.
    Christine war Lehrerin für Geschichte und Latein an einem Hamburger Gymnasium. Noch war sie die brave Akademikerin in langweiliger Bluse und dreiviertellangem Faltenrock. Ihre unmodische Brille mit den etwas zu breiten Bügeln verlieh ihr einen strengen Gesichtsausdruck.
    Günter begrüßte sie freudig. Ihrem Mann Michael, einem Unternehmensberater, klopfte er auf die Schulter. Die beiden waren wie Günter aus einem einzigen Grund im »Ceasar’s Palace«: Hier durften sie so sein, wie sie waren.
    Versonnen beobachtete Günter Christines Verwandlung von der braven Bürgerin in eine devote Lustsklavin. Sie entledigte sich ihrer Alltagskleidung und legte ein schwarzes Lederband um ihren schlanken Hals. Danach zog sie ihren Lederriemen-Body an. Binnen Minuten war die Metamorphose vollzogen. Sie trug nun nur noch Riemen und Messingketten. Ihre

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