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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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wieder an ihrem Verdacht. Die Frage, die sie gerade schmerzlich vermisst hatte, stellte er nun doch. War sie womöglich gerade dabei, eine jahrzehntealte Freundschaft zu zerstören?
    Sie hörte auf, Wolfgang zu fixieren, setzte sich an ihren Schreibtisch und sagte mit der größtmöglichen Sachlichkeit: »Die Leiche trug eine Rolex. Eine goldene Datejust. Hansen besaß so eine Uhr.«
    »Wie vermutlich Tausende andere auf der Welt«, warf Wolfgang ein.
    »Das stimmt«, sagte Wiebke, nun wieder voll in ihrem Ermittlerelement. »Aber von allen vermissten Personen, die innerhalb des letzten Jahres verschwanden, besaßen nur zwei Männer eine solche Uhr. Jedenfalls soweit ich das bis jetzt feststellen konnte. Und das waren ausgerechnet Fritjof Hansen und Christof Lüerßen. Der ist aber nicht unser Toter. Seine DNA liegt uns vor, er war ja aktenkundig. Die Kleidung des Opfers entspricht auch nicht der von Lüerßen, sondern dem, was Hansen trug. Teure Nobelklamotten. Ich bin mir also so gut wie sicher, aber warten wir den Beweis ab.«
    »Bis der vorliegt, erzählen wir besser niemandem etwas davon.«
    »Ich bin doch nicht wahnsinnig und blamiere mich bis auf die Knochen.«
    »Wie lange wird Streicher brauchen?«
    »Etwa eine Woche, bis er die Unterlagen des Zahnarztes zur Verfügung und mit der Leiche abgeglichen hat.«
    »So lange?«, fragte Wolfgang erstaunt.
    »Fritjof Hansen hat sich den Luxus geleistet, einen Zahnarzt aus Hamburg zu konsultieren.«
    »Ist aber doch auch keine Weltreise!«
    »Das nicht«, sagte Wiebke leicht verärgert. Wieso zweifelte er an ihrem ermittlerischen Können? »Aber unser Herr Doktor befindet sich gerade auf einem Kongress in Miami. Seine Mitarbeiter verweigern die Herausgabe, und der Arzt erklärte mir telefonisch, dass er Patientenakten, wenn überhaupt, nur persönlich herausgibt.«
    »Das wird Zielkow aber gar nicht gefallen«, bemerkte Wolfgang.
    Ihm wird es vor allem nicht gefallen, wenn ich recht behalten sollte, dachte Wiebke. Zielkow würde genauso denken wie sie. Auch er würde sofort Wolfgang verdächtigen. Es lag einfach so nahe. Aber es bestand ja noch eine Chance, dass sie unrecht hatte. Null Komma ein Prozent.
    »Damit muss er leben«, sagte sie.
    Ihr Blick fiel auf den großen Strauß langstieliger roter Rosen, den ihr Thomas heute Morgen hatte liefern lassen. Verbunden mit einer langen brieflichen Entschuldigung wegen seines Verhaltens gestern und der Mitteilung, dass er sie gerne heute Abend wieder einmal zum Essen ausführen würde.
    Was für ein Mann. Er war in der Lage, sich zu entschuldigen.
    Und du denkst immer nur an das eine.
    Du hast ja recht, Mama.
    ***
     
    Sein Büro war riesig. Die gediegenen Möbel aus Mahagoni, die schweren Teppiche und die schwülstigen Ölgemälde vermittelten genau den Eindruck, den Johannes Kleinert erwecken wollte. So sah das Arbeitszimmer eines schwerreichen Mannes aus.
    Doch der Schein trog. Kleinert war pleite. So pleite, dass er bald die Insolvenz seiner verschachtelten Immobiliengruppe würde anmelden müssen. Um das zu vermeiden, hatte er über Jahre getrickst, geschummelt und getäuscht. Mehrere Jahre Gefängnis wären ihm sicher, wenn das herauskäme.
    Er hatte schon über Flucht nachgedacht. In irgendein Land, das mit Deutschland kein Auslieferungsabkommen hatte. Doch da gab es nicht mehr viele, und die, die noch in Frage kämen, waren klimatisch oder gesellschaftlich nicht so entwickelt, dass sich Kleinert dort sein weiteres Leben vorstellen konnte.
    Die Insolvenz war unvermeidlich, Gefängnis die logische Folge, eine Flucht jedoch unmöglich. Das waren die feststehenden Größen einer auf den ersten Blick unlösbaren Gleichung. Doch eine Variable gab es noch. Die Lösung des Problems stand ihm in Gestalt von Günter Menn gegenüber.
    Mit aufgesetzter Jovialität schlug Kleinert seinem ehemaligen Kommilitonen auf die Schulter. »Na, Junge, hast es ja weit gebracht in den letzten Jahren«, sagte er. »Was willst du trinken?«
    »Gar nichts«, kam es wortkarg zurück. »Und ich würde es sehr begrüßen, wenn du sofort zur Sache kämst.«
    »Was bist du denn einem alten Freund gegenüber so abweisend?«, fragte Kleinert lächelnd. »Wir hatten doch viel Spaß in Köln. Damals.«
    »Der Spaß war wohl eher auf deiner Seite. Was willst du von mir?«
    Kleinert bedeutete Günter mit einer Handbewegung, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen, und ließ sich selbst in den Chefsessel hinter dem Schreibtisch sinken.
    »Nun«, druckste

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