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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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abgeschossen haben. Warum nur?
    »Ja, da sprichst du ein wichtiges Thema an. Wir sind beide keine zwanzig mehr. Aber ich habe mir dazu etwas überlegt. Meine Wohnung ist groß genug. Ich löse mein Arbeitszimmer auf und verlege den Schreibtisch in mein Schlafzimmer. Du erhältst das Arbeitszimmer als deinen Schlaf- und Aufenthaltsraum. Den Rest der Wohnung teilen wir uns. Sollte Daniel mich besuchen wollen, wohnt er im Bootshaus, das ich inzwischen ganz heimelig eingerichtet habe.«
    »Du hast über alles nachgedacht«, sagte Wiebke beeindruckt. »Natürlich sage ich Ja. Ich freue mich.«
    Natürlich? Warum natürlich? Sie hatte schwere Bedenken. Aber mit über vierzig noch jemanden zu finden war reines Glück. Es gab sogar eine amerikanische Studie, nach der es wahrscheinlicher war, dass man Opfer eines terroristischen Anschlages wurde, als mit über vierzig noch einen Mann abzubekommen. Noch dazu so eine Partie. Sie wäre verrückt, Thomas ziehen zu lassen. Der Spatz in der Hand war noch immer besser als die Taube auf dem Dach. Zumal eine solche Taube auch überhaupt nicht in Sicht war.
    Sie stand auf und küsste Thomas. Er erwiderte den Kuss.
    »Wir sind jetzt verlobt, oder?«
    »Ja«, sagte er, nahm den Ring, den Wiebke auf ihrem Platzteller abgelegt hatte, wischte ihn mit seiner Serviette sauber und steckte ihn ihr an. »Das sind wir.«
    Carsten Loll brachte eine Flasche Veuve Clicquot. Sie stießen auf ihre gemeinsame Zukunft an.
    Ich werde Frau Doktor, dachte Wiebke versonnen.
    Ich bin so stolz auf dich, mein Kind.
    Siehst du Mama, ich habe ihn doch noch gefunden.
    Ich habe es nicht mehr zu hoffen gewagt. Alles Gute, Kind.
    »Wann ziehst du bei mir ein?«, fragte Thomas.
    »Bald. Ich nehme mir zum Monatsbeginn ein paar Tage frei. Jetzt habe ich zu viel mit dieser Leiche vom Brooksee am Hals. Und Wolfgang ist im Moment alles, nur keine wirkliche Hilfe.«
    »Das kann ich mir vorstellen, und es tut mir auch leid, dass es mit dem Therapieerfolg so lange dauert. Ich habe aber das Gefühl, langsam an ihn heranzukommen. Noch ein paar Sitzungen, und ich denke, ich werde sein Innerstes aus ihm herausgelockt haben.«
    »Glaubst du, dass das gut für ihn ist?«
    »Ja, denn erst dann, wenn man sich erkannt hat, besteht die Chance auf einen Neubeginn. Erst dann.«
    Wiebke nickte, stand dann auf und entschuldigte sich. Es war halb elf, und – Heiratsantrag hin, Heiratsantrag her – in ein paar Minuten würde Thomas zum Aufbruch drängen. Sie wollte vorher schlicht noch einmal aufs Klo.
    Als sie vor dem Spiegel stand und ihre Handtasche öffnete, sah sie, dass sie eine SMS von Günter erhalten hatte.
    Sie antwortete: »Um kurz nach elf bei mir. Bis dann, Wiebke«.
    ***
     
    »Sag das noch mal!«, verlangte Günter, kaum dass er Wiebkes Wohnung betreten hatte. Sie war natürlich sofort mit der Neuigkeit herausgeplatzt, dass sie nunmehr verlobt war.
    Sie hielt ihm ihre Hand mit dem Diamantring hin.
    »Und dann bist du hier?«, fragte er. »Nicht mit deinem Verlobten im Bett?«
    »Du kennst ihn doch, er muss morgen raus. Und noch wohne ich ja nicht bei ihm.«
    »Ich wünsche dir alles Gute, das kannst du mir glauben«, sagte Günter, auch wenn er einen Kloß im Hals hatte. »Ich werde immer für dich da sein. Als Freund natürlich.«
    »Natürlich«, sagte Wiebke versonnen. »Aber nun zu dir. Warum bist du in Schwierigkeiten?«
    Günter atmete tief ein und aus. Sollte er sie wirklich einweihen und um Hilfe bitten? Aber warum nicht? Sie war sein letzter Halt, der Strohhalm, der Rettungsring.
    »Wiebke, ich vertraue dir mein Leben an«, begann er.
    »Ach«, sagte sie. »Es geht gar nicht um eine Beziehungskiste? Nicht um Sex oder so etwas?«
    Günter schüttelte den Kopf. »Wenn es nur das wäre …« Er sah unendlich traurig aus.
    Wiebke stand auf und holte Gläser. Und eine Flasche Aromatique. Sie schenkte großzügig ein, und Günter nahm sofort einen Schluck. Wiebke sah einen verängstigten, nervösen Mann vor sich. Sie ließ den einem Jägermeister nicht unähnlichen, aber doch einzigartig schmeckenden Kräuterlikör ihre Kehle hinunterrinnen.
    »Was ist los, Günter?«, fragte sie endlich.
    »Ich werde erpresst.«
    »Was wirst du? Womit denn?«
    »Ein ehemaliger Studienkollege von mir wird demnächst eine große Pleite hinlegen. Eine Pleite, die mit allen guten Zutaten gewürzt ist. Mit anderen Worten: eine Pleite, die auf meinem Schreibtisch landet, damit ich gegen den Bankrotteur vorgehe. Mein Studienkollege will, dass

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