Kalte Fluten
Kleinert geheimnisvoll herum. »Die Sache ist die: Die letzten Jahre waren nicht so dolle. Die Sache mit der Genehmigung des Wohnprojektes am Brooksee sollte mich wieder rausreißen, hat dann aber doch zu lange gedauert. Jetzt noch die Sperre wegen der dämlichen Leiche. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich werde pleitegehen.«
»Das ist bedauerlich«, sagte Günter. »Nur: Was habe ich damit zu tun? Es ist zwar nicht schön, aber doch recht häufig. Als Unternehmenssanierer tauge ich nicht.«
»Stell dich mal nicht blöder an, als du bist«, blaffte Kleinert auf einmal. »Ich habe die Pleite, sagen wir mal, etwas herausgezögert. Deswegen brauche ich deine Hilfe. Du kennst das ja: Die Hoffnung, dass es nächstes Jahr besser wird, macht kleine Bilanztricksereien erforderlich. Ein kleiner Betrug hier, eine falsche Steuererklärung da. Das alles poppt bei einer Insolvenz hoch wie die Kohlensäure aus einem Champagnerglas. Apropos: Willst du wirklich nichts trinken?«
»Nein. Du nervst. Was willst du?«
»Ich bin immer ein Glückskind gewesen. Ich dachte schon, das Glück hätte mich verlassen. Aber irgendwann in diesen dunklen Stunden erinnerte ich mich an meinen alten Freund Günter. Und daran, dass er mir noch einen Gefallen schuldet.«
»Ich bin nicht dein Freund. Und ich schulde dir gar nichts.«
»Sei doch nicht so empfindlich. Dann biete ich dir eben ein Geschäft an, wenn dir das lieber ist.«
Kleinert ging zum altmodisch wirkenden Tresor, öffnete die schwere Tür und holte einen grauen Leitz-Ordner hervor, auf dessen Rücken Günters Name stand. Sonst nichts. Er schlug den Deckel auf und hielt Günter den Ordner hin.
»Wenn du das Verfahren gegen mich niederbügelst«, sagte er mit einem breiten Grinsen, »gehören diese Unterlagen dir. Für immer und ewig.«
Günter schaute auf die vergilbten Blätter und wusste, dass Kleinert den Sprengsatz für seine Vernichtung in der Hand hielt. Er wollte zugreifen, doch Kleinert zog den Ordner zurück.
»Na, na«, sagte er. »Nicht so gierig.« Die gesammelten Unterlagen verschwanden wieder im Tresor. »Jetzt weißt du, was ich weiß. Kommen wir ins Geschäft?«
»Woher hast du die Sachen? Die dürftest du gar nicht haben.«
»Ich habe sie gekauft. Ein guter Engel hat mir das eingeflüstert. Und du siehst, dass es eine gute Investition war.«
»Es ist doch gar nicht sicher, dass dein Fall auf meinem Schreibtisch landet.«
»Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Meine Insolvenz wird hier in der Gegend so einen Rumms verursachen, dass du den Fall als Chef der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen – Gratulation übrigens, klingt beeindruckend – mit Sicherheit auf den Schreibtisch kriegst oder jedenfalls dafür sorgen kannst, dass du ihn kriegst. Es wäre auch besser für dich, denn ansonsten wird man dir nie wieder einen Fall übertragen.«
»Du steckst in der Sache von damals genauso drin wie ich«, sagte Günter in der Annahme, etwas Kluges einzuwenden.
»Sei nicht naiv«, konterte Kleinert. »Unsere Kölner Vergangenheit vernichtet nur dich. Ich bin dann nämlich schon ruiniert. Dich und deine Karriere wird man deswegen ausradieren. Meine Beteiligung in dieser Sache ist dann nur noch Beiwerk, schmückendes Kolorit sozusagen. Also, was ist?«
»Du bist ein Arschloch.«
»Damit kann ich leben.«
»Du verlangst von mir, dass ich Gesetze breche?«
»In Köln hattest du weniger Skrupel.«
»Das war etwas völlig anderes.«
»Natürlich. Bei einem selbst ist das immer was anderes. Aber weißt du was? Das ist mir egal. Ich bin in der Lage, dich wie eine kleine Wanze zu zertreten. Es macht ›knack‹, und du bist nur noch ein kleiner, unbedeutender ehemaliger, weil krimineller Staatsanwalt. Oder du tust, was ich will, und du lebst den Rest deines Lebens als spießiger Beamter weiter. Also: Was ist?«
»Wer garantiert mir, dass ich die Unterlagen kriege, wenn ich tue, was du willst?«
»Ah, ich merke, bei dir setzt der Verstand ein. Erstaunlich, bei deinen miesen Examensnoten. Um deine Frage zu beantworten: Du musst mir vertrauen. Ich versichere dir, dass ich mein Wort halte. Das muss dir genügen.«
»Ich brauche Bedenkzeit.«
»Wie lange?«
»Ein paar Tage.«
»Gut, eine Woche. So lange halte ich noch durch. Genau in einer Woche versprichst du mir hier in die Hand, dass ich allenfalls ein blaues Auge habe, wenn die Sache über deinen Schreibtisch gewandert ist. Sobald alles erledigt ist – in ein paar
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