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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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meinetwegen. Aber ohne mich.«
    »Warum, Wiebke? Warum?«
    »Thomas«, sagte sie zärtlich, legte das Buch aufgeklappt auf den Glastisch, stand auf und nahm ihn in den Arm. »Ich liebe dich. Ich weiß, wie schwer deine und Daniels Kindheit war. Ich kann deine Vergangenheit nachfühlen. Ich bin sogar stolz auf dich, auf das, was du aus dieser Situation gemacht hast. Aber Daniel ist und bleibt ein Killer. Es tut mir leid. Ich bin Polizistin. Ich kann da nicht aus meiner Haut.« Sie drückte ihn und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Schulter.
    »Gut«, sagte Thomas nach einer Pause. »Ich muss jetzt los. Daniel wird gleich am Bootshaus sein. Ich denke, ich bin um halb sieben zurück.«
    Er ging zum Schlüsselbrett, an dem säuberlich sämtliche Schlüssel unter ihrer Bezeichnung hingen. »Keller«, »Wohnung«, »Auto«, »Dachboden«, »Bootshaus« sowie »Jacht« war dort eingraviert. Er nahm die Schlüssel für seine Bavaria und das Bootshaus und winkte noch einmal ins Wohnzimmer.
    »Mast- und Schotbruch«, wünschte Wiebke, winkte zurück und vertiefte sich wieder in ihren Roman.
    Sie war ganz froh, hin und wieder allein zu sein.
    Kurze Zeit später stand sie auf und holte sich eine Tüte Chips. Sie war glücklich, die Knabberei ohne die ständig kontrollierenden Blicke von Thomas genießen zu können, der immer argwöhnisch beobachtete, ob und wohin sie denn krümeln würde. Um sechs würde sie staubsaugen. Wenn Thomas sagte, er wäre um halb sieben zu Hause, dann war er es nämlich auch. Nicht um sechs Uhr fünfzehn, nicht um sechs Uhr fünfundvierzig. Es sei denn, er rief vorher an. Zuverlässigkeit war einer der großen Aktivposten in Thomas’ Charakter.
    Sie saß gerade wieder, hatte einige Seiten gelesen und die Hälfte der Chio-Chips vertilgt, als ihr Handy klingelte. Das Display verriet, dass es Thomas war.
    »Hallo. Was gibt’s? Hast du was vergessen?«
    »Nein«, antwortete er. »Es ist was dazwischengekommen. Die Klinik hat angerufen. Einem meiner Patienten geht es wahnsinnig schlecht. Ich muss dahin.«
    »Und Daniel?«
    »Nun, wenn ich nicht komme, wird er anrufen. Ausnahmsweise erlaube ich dir, dass du ans Telefon gehst. Sag Daniel, dass er bitte am Bootshaus auf mich warten soll. Ich komme etwa zwei Stunden später.«
    »Mach ich«, sagte sie. Sie wunderte sich schon nicht mehr darüber, dass sie einer besonderen Erlaubnis bedurfte, um an das Festnetztelefon gehen zu dürfen. Das Telefon war heilig. Nur er durfte rangehen. Es könnten Patienten in einer Notsituation sein, die, eine fremde Stimme hörend, in Panik geraten und unvorhergesehene Dinge machen könnten. Die Partnerin eines Arztes muss mit vielfältigen Besonderheiten leben. Das war eine davon.
    »Dann bin ich auch erst gegen halb neun wieder bei dir.«
    »Natürlich, Thomas.«
    Das hätte sie sich auch selbst ausrechnen können. Aber gut. So war er nun einmal.
    Sie las weiter. Nach etwa einer halben Stunde klingelte es an der Haustür. Sie blickte durch den Spion und sah draußen einen Mann stehen, den sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte.
    Wiebke zog die Sicherheitskette vor und öffnete die Tür einen kleinen Spalt.
    »Ja bitte?«, fragte sie.
    »Ist Thomas zu Hause?«
    Wiebke versuchte, die Stimme einzuordnen. Durch den Türspalt sah sie in ein Gesicht, das einige Narben auf der Wange hatte. Der Mann hatte eine Halbglatze und stechend grüne Augen. Er war unordentlich, fast schon schlampig gekleidet.
    »Nein«, bekam er zur Antwort. »Der ist mit seinem Bruder segeln. Kann ich etwas ausrichten?«
    »Ich bin sein Bruder.«
    Dieser Satz traf Wiebke wie ein Donnerschlag. Sie spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Ein Doppelmörder, schlimmer, der Mörder seiner eigenen Eltern stand vor der Tür.
    »Wollen Sie mich nicht hereinlassen, Frau Sollich?«, fragte er.
    »Woher wissen Sie, wie ich heiße?«
    »Einmal steht es an der Tür. Und zum Zweiten vergeht kein Telefonat mit Thomas, kein Treffen, bei dem Sie nicht Thema sind.«
    Scheiße, dachte Wiebke. So eine verdammte Scheiße. Ich kann ihn ja schlecht wieder wegschicken. Dieses dämliche Krankenhaus. Jetzt muss ich mit ihm reden. So ein Mist.
    Sie öffnete die Tür. Daniel, der in etwa die Statur von Thomas hatte, jedoch mit einem deutlich gebeugten Gang lief, trat ein. Seine Kleidung würde Thomas nicht einmal zur Reinigung seiner Jacht anziehen.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte sie.
    »Danke, einen Whisky, aber einen großen.«
    »Ich weiß nicht, ob Thomas

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