Kalte Fluten
sagte er. »Daniel war hier. Er hat es mir erzählt. Es tut mir leid. Er ist manchmal unerträglich.«
Er streichelte sie.
Sie genoss die Nähe und seine Wärme.
»Ich liebe dich«, sagte er. »Und wir sollten jetzt wirklich bald heiraten.«
»Ja«, hauchte sie. »Das sollten wir.«
»Warte einen Moment«, flüsterte er und löste sich aus der Umarmung. Er ging in sein Schlafzimmer. Dann hörte sie ihn sagen: »Jetzt kannst du kommen.«
Sie öffnete die Tür und sah, dass Thomas ein großes weißes Badetuch in sein Bett gelegt hatte. Das untrügliche Zeichen, dass er zu Sex bereit war.
Wiebke zog sich aus und legte sich nackt hin. Thomas löschte das Licht. Die Rollläden sorgten für fast vollständige Finsternis. Erst jetzt begann Thomas, sich auszuziehen.
Wiebke lag still da und wartete auf das, was kommen würde. Sie sah nichts. Sie fühlte nur, wie er sich irgendwann auf sie schwang und sein Glied in sie steckte. Ungelenk und so offensichtlich unerfahren wie zu Beginn ihrer Beziehung, aber immerhin.
Sie traute sich nicht, ihn anzufassen. Das letzte Mal, als sie etwas probieren wollte, hatte sie sich anhören müssen, dass er kein Perverser sei. Dabei hatte sie ihm nur einen blasen wollen. Und das auch noch im Dunkeln. Gut, also dann nicht.
Sie lag da wie eine Schildkröte, die man auf den Rücken gedreht hatte, und fühlte, wie sich der Mann über ihr abmühte. Sie schämte sich, dass in ihrer Phantasie dieser Mann nicht Thomas war. War sie doch eine Schlampe?
Es ging wie immer viel zu schnell. Sein sich beschleunigender Atem kündigte das baldige Ende an. Sie war weit von dem entfernt, was man erregt nennen könnte. Noch weiter entfernt von dem Zustand, den man als geil bezeichnete. Und viele Kilometer weit weg von dem, was einen Orgasmus ausmachte.
Er spritzte ab.
Er drehte sich zur Seite.
»Gute Nacht«, murmelte Thomas. »Schlaf doch bitte in deinem Zimmer. Du weißt, dass du schnarchst, und ich muss morgen wieder fit sein.«
Natürlich, dachte sie. Wenigstens hat er nach der Nummer nicht gefragt, ob es auch schön für mich war. Wenigstens das nicht.
Sie stand auf, öffnete die Tür, damit das Licht aus dem Flur die pechschwarze Nacht zumindest ein wenig aus dem Schlafzimmer vertrieb, klaubte ihre Kleidung zusammen und ging in ihr Zimmer.
Sie hatten getrennte Schlafzimmer. Ja und? Sie waren eben ein modernes Paar.
In ihrem Zimmer warf sie sich auf ihr Bett und hörte durch die angelehnte Tür, wie Thomas aufstand, ins Badezimmer ging und sich duschte. Das machte er immer. Hinterher. Außerdem würde er das Badetuch in den Wäschesack für Kochwäsche stecken. Das machte er nämlich auch immer.
Sie hörte wieder seine Schritte. Dann das Geräusch, wie sich seine Tür schloss. Binnen Minuten würde er eingeschlafen sein. Er konnte sich abstellen wie eine Maschine.
Wiebke hingegen war aufgewühlt. Sie stand auf und holte eine Sporttasche hervor, in der sie ein paar kleine Geheimnisse aufbewahrte. Kurz darauf hielt sie ihn in der Hand. Künstlich fleischfarben, etwa fünfundzwanzig Zentimeter lang und die täuschend ähnliche Abbildung eines erigierten männlichen Gliedes. Es schmeckte nach Gummi. Aber die Illusion war da.
Langsam ließ sie den Dildo an sich herabgleiten und stellte sich vor, dass es Günter war. Er spielte mit ihren Brustwarzen. Er rieb ihn zwischen ihren Brüsten. Sie wurde wollüstig. Wie in Trance schaltete sie die Vibration ein.
Günter begann sie zu bumsen. Sie genoss jeden Stoß. Die Vibration in ihrem Unterleib breitete sich auf den ganzen Körper aus. Sie hob ihre Hüften an, um dem Mann, der sie wild nahm, mehr Widerstand zu bieten.
Seine Bewegungen wurden langsamer. Er provozierte sie.
»Gib’s mir«, sagte sie leise. Sie wollte es herausbrüllen. Aber nebenan schlief ja Thomas. »Ja, gib es mir!«
Günter vögelte sie nun wie von Sinnen. Von ganz unten kündigte sich das erlösende Gefühl an. Wiebke warf sich wild von der einen auf die andere Seite. Mit geschlossenen Augen und offenem Mund erwartete sie, dass er es ihr besorgte. Er enttäuschte sie nicht.
Schließlich presste sie ihr Gesicht in das Kopfkissen, damit sie ihre Lust herausschreien konnte und Thomas sie nicht hörte.
Doch die Vorsicht war vergebens. Angewidert schlich sich Thomas von der angelehnten Tür wieder in sein Schlafzimmer.
Wenn wir verheiratet sind, muss ich mit ihr eine Therapie machen, dachte er. Das ist nicht normal. Nein, das ist nicht normal. Dann schlief er ein.
Ihr Atem
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