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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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beruhigte sich wieder.
    Wiebke, muss das sein?
    Das muss manchmal sein, Mama.
    Du bist schon komisch.
    Ich?, fragte Wiebke. Ich soll komisch sein?
    ***
     
    »Was machst du denn hier?«, sagte Günter zu dem Besucher, der am Sonntag um halb neun Uhr abends unangemeldet bei ihm auf der Matte stand.
    »Willst du mich nicht erst einmal reinlassen?«
    »Natürlich, Entschuldigung.«
    Günter ging voran in sein Wohnzimmer und schaltete den laufenden Fernseher aus.
    »Nimm Platz! Willst du was trinken?«
    »Du kennst mich doch. Wodka, wenn du welchen dahast.«
    »Für gute Freunde immer.« Günter lächelte und stellte eine Flasche auf den Tisch.
    Randolf nahm sie in die Hand und betrachtete das Etikett. »Gorbatschow«, las er laut. »Benannt nach dem Mann, der das Ende des großrussischen Reiches besiegelt hat. Wird seit dem Ende der Zarenzeit in Berlin gebrannt. Die alkoholische Abbildung der russischen Geschichte. Genau das Richtige, um zu vergessen.«
    Sie gossen die Gläser voll und prosteten sich zu.
    »Was gibt es denn so spät am Abend?«
    »Wiebke und Thomas waren heute bei mir«, begann Randolf. »Wie du sicher weißt, ist Wiebkes Vater vor fast dreißig Jahren von einer Rangierlok überrollt worden. Seit der Zeit habe ich mich um Wiebke und ihre Mutter gekümmert. Meine Schwägerin ist nun auch schon fast zehn Jahre tot. Also bin ich Wiebkes einziger verbliebener Verwandter.«
    »Das ist mir bekannt. Wo ist jetzt das Problem?«
    »Thomas hat bei mir ganz offiziell um ihre Hand angehalten.«
    Günters Blut rauschte in seinen Ohren, als er sein Glas vom Tisch nahm und den Rest kippte. »Sie waren doch schon verlobt, sie ist bei ihm eingezogen«, sagte er ruhig. »Damit war zu rechnen.« Er streichelte Minka, die sich erstaunlich schnell bei ihm eingelebt hatte. Irgendwie war sie ein lebendiger Teil von Wiebke.
    »Mann, was bist du cool, wenn ich das als Ossi mal so formulieren darf. Der Typ ist doch eine Krankheit.«
    »Was hast du gegen ihn?«
    »Zyankali vielleicht?«
    »Sei bitte ernst.«
    »Hör mal. Ich kenne meine Wiebke. Sie ist eine lebenslustige Frau. Sie hat viele Vorzüge, nur Ordnung wird sie nie lernen. Und jetzt will sie den Rest ihres Lebens mit einem Korinthenkacker verbringen, der – das garantiere ich dir – seine Unterhosen bügelt und beim Sex das Licht ausmacht.«
    »Und auf der Ostsee Quadrate segelt. Oder besser fährt, denn er segelt ja nicht, sondern fährt immer unter Motor.«
    »Was segelt er? Quadrate?«
    Günter nickte und erzählte Randolf die Geschichte von den perfekten Quadraten mit einer Kantenlänge von exakt drei Seemeilen. Sie bogen sich vor Lachen. Die Flasche Gorbatschow leerte sich bedenklich schnell.
    »Das kann nicht gut gehen«, sagte Randolf, nun wieder ernst.
    »Mag sein. Aber was habe ich damit zu tun?«
    »Ihr liebt euch. Das sieht der berühmte Blinde mit Krückstock ohne Hund. Warum seid ihr nicht zusammen?«
    »Ich bin ein Wessi, wie du weißt.«
    »Leck mich. Warum?«
    »Ich habe nie richtig gefragt. Sie sich wohl nie richtig getraut. Irgendwann haben wir den Punkt verpasst. Es hat halt nicht sollen sein. So was soll es ja geben. Berühmte Menschen haben über solche Geschichten Romane, Opern und Lieder geschrieben.«
    »Warum?«, bohrte Randolf.
    Günter schwieg.
    »Wenn ich dir ein großes Geheimnis erzähle, das nicht einmal die Stasi herausbekommen hat, erzählst du mir dann deines?«, bot Randolf an.
    »Geheimnis?«, sagte Günter. »Noch eins? Okay, einverstanden.«
    So offenbarte Randolf seine Homosexualität außer Wiebke noch einer anderen Person. Günter berichtete im Gegenzug von seiner polygamen Veranlagung. Es fiel ihm erstaunlich leicht.
    »Dann wärst du ja der Deckel, der zu Wiebke passen könnte.«
    »Wieso?«, wandte Günter ein. »Als ich ihr davon erzählte, sagte sie, sie würde es verstehen, aber für sie wäre das nichts.«
    »Da schätze ich sie anders ein.«
    »Aber selbst wenn.« Günter lallte inzwischen. Sie kämpften gerade mit der zweiten Flasche. Der Russe war nach wie vor ein starker Gegner. »Sie wird Thomas heiraten. Ich weiß auch nicht genau, warum.«
    »Aber ich. Meine doofe Schwägerin ist schuld. Sie hat immer davon geträumt, dass es ihrer einzigen Tochter einmal besser gehen sollte als ihr, der Witwe eines einfachen Arbeiters. Und wovon, glaubst du, träumen einfache Arbeiterwitwen?«
    »Von einem Arzt als Schwiegersohn?«
    Randolf rülpste herzhaft: »Genau.«
    »Du hast den beiden deinen Segen gegeben,

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