Kalte Fluten
bestätigen.«
»Von wem ist es?«, bohrte Wiebke.
»Wir haben also die DNA des Blutes und die des Haares analysiert. Und siehe da, beide stimmen überein, und beide stammen nicht von Hansen.«
»Wenn du jetzt nicht sofort sagst, von wem diese Spuren sind, würge ich dich.«
»Ich hätte Lust, das einmal auszuprobieren.«
»Herbert, bitte!«
»Also gut. Ich erlöse dich. Beide lassen sich eindeutig Christof Lüerßen zuordnen. Da ihr seine Leiche nicht neben der von Hansen im Grab gefunden habt, lässt das nur einen Schluss zu, den ich aber dir überlasse, meine charmante Ermittlerin.«
»Dass der letzte Mensch, mit dem Hansen zusammen war, Christof Lüerßen war. Von Belinda Rietschoten weiß ich, dass Hansen ihn loswerden wollte. Das hat sie ihm gesteckt. Vermutlich hat er sich für den Arschtritt nach jahrelanger Drecksarbeit gerächt und ist mit dem Restbestand an Drogen auf und davon. Diese Belinda meinte zwar, die Russen hätten ihn versenkt. Aber wir haben das Hafenbecken systematisch abgesucht. Keine Leiche.« Erst jetzt wurde Wiebke bewusst, dass sie zwar den Mörder nicht geschnappt, aber den Beweis für etwas viel Wesentlicheres gefunden hatte. »Mein Gott, Wolfgang ist entlastet. Mein Gott, ich habe es geschafft!«, jubelte sie.
Streicher empfand seinerseits ein tiefes Glücksgefühl, als er Wiebkes vor kindlicher Freude strahlendes und erleichtertes Gesicht sah. Niemand, auch Streicher nicht, hatte es Wolfgang wirklich zugetraut, Fritjof Hansen bestialisch bei lebendigem Leib begraben und ihn so einem qualvollen Tod ausgesetzt zu haben. Aber andererseits waren Menschen, denen das Liebste genommen, denen der Halt und der Sinn des Lebens abhandengekommen waren, manchmal zu den unglaublichsten Taten fähig. Dann konnten die vernünftigsten und sanftmütigsten Menschen zu blutrünstigen Monstern werden. Wiebke war glücklich, dass sie nun beweisen konnte, dass dies auf Wolfgang nicht zutraf.
Sie stürzte auf Streicher zu, umklammerte ihn und gab ihm einen dicken Kuss auf die rechte Wange. Er lief rot an.
»Du bist ein Schatz«, hauchte sie ihm ins Ohr.
Dann gab sie ihm noch einen Kuss auf die linke Wange.
Streicher ließ sie gewähren. Er hätte gelogen, wenn er diesen Ausbruch der Emotion als unangenehm bezeichnet hätte. Aber er war verheiratet. Also nahm er es hin, ohne ihre Umarmung zu erwidern.
»Das ist mein Job, und das war ich Wolfgang schließlich schuldig«, sagte er unsicher.
»Herbert, ich muss zum Chef. Noch mal danke!«, sagte Wiebke, während sie im Laufschritt das Labor verließ.
***
»Frau Kollegin, ganz ausgezeichnete Arbeit. Wirklich vorzüglich. Mein Gott, was bin ich erleichtert, dass dieser schreckliche Verdacht vom Kollegen Franke genommen ist. Sie haben ihm, ach was sage ich, der ganzen Polizei einen nicht zu unterschätzenden Dienst erwiesen.«
Polizeirat Zielkow überschlug sich förmlich in seinen Lobeshymnen. Wiebke waren sie nicht unangenehm. Er hatte ja recht. Also durfte er es sagen. Und sie durfte es genießen.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte sie ihn.
»Ich werde sofort eine Pressekonferenz einberufen und Ihre Ermittlungsergebnisse präsentieren. Da haben die Damen und Herren der schreibenden Zunft ja wieder ordentlich Futter für die morgige Schlagzeile. Ich kann sie schon förmlich vor mir sehen.«
»Herr Polizeirat, brauchen Sie mich noch?«, fragte Wiebke.
»Nein, warum fragen Sie?«
»Ich würde gerne eine kleine Feier für Wolfgang organisieren. Mit ein paar engen Freunden.«
»Natürlich. Da hätte ich selbst drauf kommen können. Und den Rest der Woche haben Sie und Wolfgang Franke, den Sie bitte ganz herzlich von mir grüßen, natürlich Sonderurlaub. Geht auf meine Kappe. Und jetzt raus hier! Viel Spaß bei der Party.«
»Danke, Chef.«
Der konnte ja richtig nett sein, wenn er wollte. Leider wollte er meistens nicht. Wiebke verließ sein Büro.
Zielkow organisierte erleichtert seine Pressekonferenz, während Wiebke von ihrem Büro aus erst Wolfgang, dann Thomas und schließlich Günter informierte. Heute Abend war Party im Hause Sollich/Schulte angesagt.
Es würde wieder so werden wie früher. Mit Wolfgang, einem guten, fürsorglichen und vollkommen rehabilitierten Chef. Mit Günter, einem verständnisvollen und vertrauenswürdigen Freund. Und natürlich mit Thomas, ihrem Verlobten, mit dem sie zusammenlebte. Das Leben verlief wieder in geordneten Bahnen. Das Leben war schön.
Dritter Teil
1
Zwanzig verängstigte
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