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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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stehen.
    »Ist er weg?« Marielle späht neugierig aus ihrem Zimmer.
    Nadine hebt den Blick. »Ja, er ist weg. Er wollte heute Abend noch mit mir weg, aber ich will das Ganze lieber langsam angehen.«
    »Warum denn?« Mit federnden Schritten kommt Marielle die Treppe herunter. »Du stehst doch auf ihn, oder? Und er mag dich auch, was also hindert dich?«
    »Ein wenig Besonnenheit kann nicht schaden«, antwortet Nadine. »Darüber wollte ich übrigens noch mit dir reden. Wenn das nächste Mal ein Unbekannter an der Tür klingelt und nach mir fragt, solltest du ihn nicht einfach ins Haus lassen. In Eelcos Fall war das zwar kein Problem, aber es hätte durchaus sein können, dass mir sein Besuch nicht passt. Und es gefällt mir auch nicht, dass du stundenlang mit jemandem allein bist, den du nicht kennst.«
    »Du hast mir doch von ihm erzählt. Ich dachte, du freust dich, dass er gekommen ist.«

    »Sicher freue ich mich«, gibt Nadine zu. »Aber es geht ums Prinzip. Du solltest in diesen Dingen etwas vorsichtiger sein.«
    »Okay, Mam«, lenkt Marielle sofort ein. Sie mustert Nadine von der Seite. »Ich wollte dich auch noch was fragen: Darf ich heute ins ›Oloroso‹?«
    Nadine sieht ihre Tochter verwundert an. »Warum ausgerechnet ins ›Oloroso‹?«
    »Einfach so, weil’s eine coole Kneipe ist.« Nadine ist unschlüssig. »Ich weiß nicht recht. Da gehen doch eher Leute hin, die älter sind als du.«
    »Aber nicht nur. Also, darf ich?«
    »Mit wem willst du denn hin?«
    Ein kurzes Zögern. »Mit ein paar Freunden.«
    »Mit was für Freunden? Marielle, bevor ich dir das erlaube, will ich wissen, mit wem du Umgang hast. Ich finde es reichlich seltsam, dass ich deine Freunde noch nie zu Gesicht bekommen habe.«
    »Was ist daran seltsam? Vertraust du mir etwa nicht?«
    »Damit hat das nichts zu tun. Ich …«
    »Damit hat das sehr wohl etwas zu tun! Wenn du Vertrauen zu mir hättest, würdest du mich einfach machen lassen.«
    »Mütter, die ihre Kinder einfach machen lassen, wie du es nennst, sind keine richtigen Mütter«, weist Nadine sie zurecht. »Es ist meine Aufgabe, dich im Auge zu behalten. So etwas nennt man Erziehung, und das ist nicht immer einfach! Viel leichter wäre es, wenn ich dir alle Freiheiten ließe, um auf diese Weise
Streitereien zu vermeiden. Aber so läuft das nicht. Vertrauen muss man sich verdienen, und ich habe in letzter Zeit verstärkt das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst.«
    »Was soll denn das jetzt wieder!?« Marielle läuft rot an und schnappt nach Luft.
    »Du tust so geheimnisvoll. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was du in deiner Freizeit machst. Und das passt mir nicht.«
    »Weil du ein Kontrollfreak bist und mir kein eigenes Leben gönnst!«, platzt es aus Marielle heraus. »Es geht dich überhaupt nichts an, mit wem ich zusammen bin!«
    »Das geht mich sehr wohl etwas an. Und solange ich das nicht weiß, bleibst du hier! Du hast die Wahl!«
    Nadine dreht sich um und geht ins Wohnzimmer. Ihre Hände zittern. Wie sie solche Szenen hasst! Es ist, als würde ihre eigene Mutter aus ihr sprechen.
    Die Haustür fällt ins Schloss. Also ist Marielle trotz ihres Verbots gegangen. Einen Moment lang ist Nadine versucht, ihr nachzurennen, lässt es aber bleiben, weil sie keine Lust hat, sich den Abend komplett zu verderben. Sie nimmt sich vor, erst einmal zu duschen und sich anschließend in Ruhe zu überlegen, wie sie in Zukunft mit solchen Situationen umgehen will.
    Eine halbe Stunde später kommt sie aus dem Badezimmer, zieht ein T-Shirt, eine dreiviertellange Jeans und Slipper an. Ihre Wut auf Marielle ist noch nicht ganz verraucht, aber immerhin hat sie sich so weit beruhigt, dass sie nachher in Ruhe mit ihr reden
kann. Schließlich muss sie als Erwachsene mit gutem Beispiel vorangehen.
    Gegen elf läutet das Telefon. Sie geht ins Wohnzimmer und nimmt ab.
    »Nadine van Mourik.«
    »Ich bin’s, Arnout. Hast du schon das Neueste gehört?«
    Eine leise Unruhe erfasst sie. Mit ihrem Kollegen Arnout versteht sie sich zwar bestens, aber privaten Kontakt haben sie kaum. Nur wenn es bei der Zeitung etwas Spektakuläres gibt, ruft er sie zu Hause an. Vermutlich hat er als frisch geschiedener Mann hin und wieder das Bedürfnis, über die belastenden Dinge zu sprechen, mit denen er als Kriminalreporter konfrontiert ist.
    »Was soll ich gehört haben?« »Eine Sechzehnjährige ist verschwunden, schon seit über vierundzwanzig Stunden.«
    »Oh nein«, sagt Nadine leise. »Und nun vermutet

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