Kalte Freundschaft
will man nicht auf alles Schöne im Leben verzichten, nur weil das mit gewissen Gefahren verbunden ist.«
»Stimmt. Aber ein Erwachsener kann die Gefahren besser einschätzen als ein Teenager.«
Sigrids Miene verrät Zweifel. »So, meinst du? Und was weißt du von Eelco? Du bist in ihn verliebt - das sieht sogar ein Blinder -, denkst ständig an ihn, sehnst dich nach ihm, aber wie gut kennst du ihn wirklich? Euer erstes Rendezvous war ein Erfolg, aber was, wenn er auf Würgesex gestanden hätte?«
Nadine lacht. »Würgesex, was du dir ausdenkst! Zum Glück sind die meisten Männer völlig normal und wollen eine Beziehung oder eben auch mal unverbindlichen Sex, aber ohne irgendwelche Perversitäten.«
»Bei pubertierenden Jungs ist das nicht anders«, gibt Sigrid zu bedenken.
Als die Sonne am Nachmittag unbarmherzig vom Himmel brennt, packen sie ihre Sachen, um nach Leiden zurückzufahren. Nadine checkt ihr Handy und sieht, dass sie drei Anrufe verpasst hat.
»Mist, ich hab das Klingeln überhaupt nicht gehört! Vielleicht war es Eelco.«
Während Sigrid das Auto aus der Parklücke rangiert,
hört Nadine ihre Mailbox ab. Die erste Nachricht ist von Tom. Er sagt, die anderen hätten Joella nach Nadines Aufbruch tüchtig den Kopf gewaschen. Der zweite Anrufer war tatsächlich Eelco, doch er hat aufgelegt, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Dann hat sich noch Marielle gemeldet: Sie sei bereits zu Hause, und Nadine solle sie zurückrufen.
Rasch wählt sie ihre Festnetznummer, aber niemand geht dran.
»Wahrscheinlich steht sie gerade unter der Dusche. Ich versuch’s nachher noch mal.«
»Wer hat sonst noch angerufen?«, fragt Sigrid interessiert.
»Tom.« Nadine erzählt von Joellas hämischer Bemerkung in der Kneipe.
»Sie ist neidisch, keine Frage«, meint Sigrid. »Von dieser Joella war das zu erwarten. Ich kenne sie zwar nicht besonders gut, aber die paar Male, die ich sie gesehen habe, hatte ich keinen positiven Eindruck. Sie ist eine karrieregeile Einzelgängerin und arrogant. Stimmt’s oder hab ich recht?«
»So wirkt sie manchmal«, gibt Nadine zu. »Meine beste Freundin wird sie mit Sicherheit nie, aber im Kurs hat sie immer viel Zeit in unsere Texte investiert, was konstruktive Kritik angeht, meine ich. Natürlich war jeder in seinem eigenen Interesse dort, aber Joella war immer sehr offen und hilfsbereit.«
»Das ist auch keine große Kunst, solange es unverbindlich bleibt. Aber sobald jemand die Möglichkeit
bekommt, etwas zu veröffentlichen, sieht es ganz anders aus. Vermutlich hat sie euch nie als ernsthafte Konkurrenz gesehen, und jetzt traut sie ihren Ohren nicht«, sagt Sigrid nüchtern.
Nadine dreht die Klimaanlage voll auf. »Mir ist das egal. Was habe ich schon mit Joella zu tun? Ich will nur, dass mein Buch erscheint.«
»Und deine Chancen stehen gut«, sagt Sigrid. »Wann erfährst du Näheres?«
»Keine Ahnung. Eelco wollte mein Manuskript gleich an seine Bekannte beim Aurora-Verlag weiterleiten. Angeblich sucht sie Autoren wie mich und wird es sicherlich bald lesen. Aber ich weiß ja nicht, wie beschäftigt sie ist. Und wahrscheinlich hat sie am Wochenende etwas Besseres vor.«
»Bestimmt sonnt sie sich jetzt im Garten, liest fasziniert dein Buch und nippt zwischendurch an ihrem Cocktail. Wenn sie durch ist, hat sie einen tüchtigen Sonnenbrand, und der Cocktail ist brühwarm. Dann rennt sie zu ihrem PC und mailt dir, wetten?«
»Hör auf«, sagt Nadine. »Du machst mich nervös. Ich muss mich darauf einstellen, dass es ebenso gut eine Ablehnung werden kann.«
»Wenn man seine Träume visualisiert, kann sich das positiv auswirken«, bemerkt Sigrid. »Zu dem Thema habe ich neulich ein Buch gelesen. Hochinteressant.«
Im selben Moment klingelt Nadines Handy.
»Marielle«, sagt sie nach einem Blick auf das Display.
Sie meldet sich und lauscht gespannt. Binnen Minuten wechselt ihr Gesichtsausdruck mehrmals. Sigrid sieht sie mehrfach von der Seite an. »Was gibt’s?«, fragt sie.
»Du glaubst es nicht!«, sagt Nadine verdattert. »Eelco ist unverhofft gekommen, und Marielle meint, er wolle auf mich warten. Sie sitzen im Garten und trinken Cola.«
13
Im Grunde war es reichlich unvorsichtig von Marielle, Eelco einfach so ins Haus zu lassen, überlegt Nadine auf der Fahrt nach Leiden. Schließlich kennt sie ihn nicht und konnte auch nicht wissen, ob sein Besuch ihr, Nadine, überhaupt passt. Sie nimmt sich vor, später mit ihrer Tochter ein ernstes Wort zu reden.
Doch
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