Kalte Freundschaft
schreiten!
Als ihr klar wird, dass sie dort wahrscheinlich Eelco über den Weg laufen wird, entgleist ihr Lächeln.
Regungslos stehe ich vor ihrem Haus. Eine innere Unruhe hat mich hergetrieben. Vor allem an den Wochenenden macht mir die Einsamkeit zu schaffen, drückt mich regelrecht nieder. In solchen Situationen hilft nur eines: Nadines Nähe.
Ihr Auto steht nicht da, sie ist also nicht zu Hause. Marielle vielleicht?
Ich spähe durchs Fenster. Sie sitzt vor dem Fernseher auf dem Boden und hat mir den Rücken zugekehrt.
Ich klingle, aber sie macht nicht auf, scheint nichts gehört zu haben.
Erst will ich ans Fenster klopfen, gehe dann aber ums Haus herum, in den Garten.
Als ich durch die Hintertür komme und ins Wohnzimmer trete, zuckt sie zusammen.
»Ich habe geklingelt, aber du hast nichts gehört«, sage ich.
»Meine Mutter ist nicht da, sie ist bei Oma und Opa.«
Ich sehe auf die Uhr: Es ist kurz vor fünf.
»Dann warte ich hier, bestimmt kommt sie bald.« Ich setze mich aufs Sofa.
Leicht verunsichert sieht Marielle mich an. »Willst du was trinken?«
Ein Kaffee wäre nicht schlecht. Sie geht in die Küche, um welchen zu kochen. Währenddessen sehe ich, dass die Videokamera an den Fernseher angeschlossen ist. Anscheinend sichtet Marielle Filmaufnahmen.
»Brennst du Filme auf DVD?«, rufe ich.
Mit einem Becher Kaffee in der Hand kommt sie herein. »Ja. Meine Mutter archiviert nie etwas. Ihr ist das zu umständlich. Aber mir macht es Spaß, und außerdem will ich mir die Filme gern ansehen.«
Sie setzt sich wieder auf den Boden. Beim Kaffeetrinken schaue ich zu, wie sie routiniert einzelne Filme anspielt, löscht oder auswählt und speichert.
»Du kennst dich gut aus damit«, sage ich anerkennend. »Oh, da ist ja das Grillfest!«
Manche glauben, dass nichts im Leben Zufall ist. Heute Nachmittag bin ich geneigt, ihnen recht zu geben. Wie sonst ließe sich erklären, dass ich ausgerechnet jetzt vorbeigekommen bin?
Marielle muss bei dem Gartenfest ständig gefilmt haben: das Essen, die Gäste, einfach alles. Und die Qualität der Aufnahmen ist erstaunlich gut. Wahrscheinlich stand sie immer dicht dabei, oder sie hat eine besonders empfindliche Kamera.
Ich sehe mich und Joella in Großaufnahme, und gleich darauf höre ich uns auch.
Am Abend gehe ich noch einmal hin. Nadine hat gegen sechs angerufen und gesagt, sie bleibe zum Essen bei ihren Eltern. Ob Marielle nicht auch kommen wolle?
In letzter Zeit bin ich immer öfter gezwungen, spontan zu handeln. Das ist riskant. Lieber plane ich mein Vorgehen in aller Ruhe, doch dafür bleibt jetzt keine Zeit.
Mit einem raschen Blick vergewissere ich mich, dass niemand mich beobachtet, und überquere die Straße. Da ich weiß, wo der Reserveschlüssel liegt - nämlich im Vogelhäuschen im Garten -, komme ich problemlos ins Haus.
An der Flurgarderobe hängt Nadines hellbraune Wildlederjacke. Ich streiche im Vorbeigehen sanft mit der Hand darüber und betrete dann das Wohnzimmer.
Es ist geräumig und sparsam, aber geschmackvoll möbliert - ohne ein Zuviel an Möbeln, Topfpflanzen und Dekogegenständen, wie man es sonst oft sieht. Zwei helle Sofas und ein Sessel mit weiß-braunem Bezug bilden die Sitzecke, davor steht ein ovaler Glastisch.
In diesem Raum verbringt Nadine ihre Freizeit, liest, empfängt Freunde. Aber ohne sie wirkt das Zimmer kalt und abweisend, irgendwie leblos.
Ich schüttle das leichte Unbehagen ab und mache mich daran, die Schubladen der Fernsehkommode zu durchsuchen. Schon in der zweiten finde ich einen Stapel DVDs, etikettiert und von Marielle ordentlich beschriftet. Auf der obersten DVD steht »Grillfest«. Ich stecke sie ein.
Meine erste Mission ist erfüllt, jetzt nach oben!
Meine Schritte hallen auf der Treppe und dem Laminat im ersten Stock.
Ein rascher Blick ins Badezimmer. Im Regal liegen rosa Handtücher, sauber gestapelt. Ich sehe typisch weibliche Utensilien wie Cremespülung und Bodylotion,
kleine Duftseifen in einem Porzellanschälchen, ein Blütenpotpourri und allerlei Schminksachen. Auf dem Rand des modernen viereckigen Waschbeckens steht ein Flakon von Laura Biagiotti.
Ich sprühe ein wenig von dem Parfüm auf mein Handgelenk und schnuppere. Ja, das ist ihr Duft! Manchmal, wenn ich dicht neben ihr stehe, nehme ich einen Hauch davon wahr.
Ich gehe weiter, ins Schlafzimmer. Das breite Bett mit den zartgelben Bezügen ist ordentlich gemacht. Auf der Kommode links davon stehen weitere Parfümfläschchen,
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