Kalte Haut
Robert.
»Also, was ist? Möchtest du reinkommen?«
»Gern.« Robert folgte ihm in Tanias Wohnung. Die Einrichtung hatte sich verändert, klar, es waren immerhin vier Jahre vergangen . Eine Ehe. Eine Trennung. Und ein neuer Freund. Ein Läufer bedeckte die Fliesen vor dem Wohnzimmertisch, einem modernen Glastisch, der von einem massiven Stahlbein in der Balance gehalten wurde. Zwei breite Einsitzer gruppierten sich drumherum. An der Wand hing ein expressionistisches Gemälde, ein Farbenwirrwarr, in dem nur schwerlich ein Motiv zu erkennen war.
Andere Dinge kamen ihm allerdings vertraut vor. Kleinigkeiten wie der verschnörkelte Bilderrahmen des Gemäldes, einige Bücher im Regal, die Leseleuchte mit dem Lampenschirm aus Porzellan.
Hagen kam aus der Küche und brachte eine Wasserflasche mit zwei Gläsern, die er auf den Tisch stellte.
»Und was wolltest du sagen?«
»Was machst du hier?«, fragte Robert.
Die Türklingel ging. Hagen wirkte erleichtert über die Störung. Er hastete in die Diele. Kurz darauf wehte Salami-und Oreganoduft ins Wohnzimmer und Kleingeld klimperte. Dann fiel die Tür ins Schloss.
Hagen trug die Schachtel ins Wohnzimmer und reichte sie Robert. »Magst du etwas essen?«
»Danke, nein.«
»Okay, dann warte kurz.« Hagen brachte die Pizza in die Küche.
»Du kannst ruhig essen!«, rief ihm Robert nach.
»Ist schon gut. Ich mach sie mir später warm.« Hagen kam zurück und setzte sich aufs Sofa. Er sah Robert an.
Dieser rückte auf dem Sessel vor. »Ist es das, was du meintest, als du bei mir warst? Dass sich einiges verändert hat?«
Hagen schob die Gläser auf dem Tisch umher, als würde ihre Anordnung einem unsichtbaren, sich immer wieder verändernden Muster folgen. »Als die Probleme mit Tanias Mann begannen …«
»Da hast du die Gelegenheit ergriffen, richtig?«
»Tania ging es nicht gut, und sie hat jemanden gebraucht. Ich war für sie da. Und dann ist es eben passiert.«
»Klingt für mich wie aus einem deiner schlechten Romane.«
»Autsch.« Hagen zuckte zurück. »Das hat gesessen!«
Robert schnaubte abfällig. »Und das ausgerechnet aus deinem Mund: Dann ist es eben passiert. Also bist du endlich unter der Haube? So richtig? Mit allem Drum und Dran? Treu und«, Robert fiel die Gravur des Schlüsselanhängers ein, »seit dem 12. November?«
»Bist du eifersüchtig?«
»Darum geht es doch gar nicht!«
Hagen sog Luft in seine Lungen und atmete dann hörbar aus. »Wenn nicht, dann weiß ich aber auch nicht, wo dein Problem liegt. Du bist doch derjenige, der vor vier Jahren …«
»Das ist abgeschlossen!«
»Ja, genau, und deshalb sollte es auch kein Problem sein, dass …«
»Es ist ein Problem, weil du mein bester Freund bist!« Robert griff nach einem Glas, schenkte sich Wasser ein und trank, doch die aufkeimende Wut ließ sich nicht mehr zurückdrängen. Mit einem Klirren landete das leere Glas auf dem Tisch. »Aber vielleicht habe ich mich auch geirrt, vielleicht bist du einfach nur …«
»Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst.«
»Schmeißt du mich etwa aus Tanias Wohnung?«
»Nein, ich bitte dich nur, ihre Wohnung zu verlassen.«
»Ich würde gerne auf sie warten. Ich muss mit ihr reden.«
»Ich glaube aber nicht, dass sie mit dir reden möchte.« Hagen wies zur Tür.
»Die Entscheidung solltest du immer noch ihr überlassen, meinst du nicht auch?«
»Geh jetzt bitte.«
Robert drängte sich an ihm vorbei.
»Robert!« Hagen legte ihm seine Hand auf die Schulter.
»Rühr mich nicht an!« Robert verpasste ihm einen Stoß.
Hagen stolperte, sein rechter Fuß verfing sich im Teppich. Er versuchte das Gleichgewicht zu halten, wobei sein linker Fuß gegen die Tischkante prallte. Die Glasplatte beschrieb einen Bogen und kippte in die Senkrechte. Bevor sie auf die Fliesen knallte, streifte sie noch die Leselampe, die wankte und ebenfalls zu Boden ging. Der Glastisch zerbrach mit einem Krachen. Die Wassergläser kullerten unversehrt über den Teppich.
»Verdammt!« Zornig beugte sich Hagen zu den Überresten des Tisches hinunter. »Autsch!« Blut sickerte aus seiner Hand, die er sich an den Glasscherben aufgeschnitten hatte. Es tropfte auf den Teppich.
Robert ging in die Knie, griff nach der Leselampe, doch das Porzellan zerbröckelte zwischen seinen Fingern. Er hob die beiden Wassergläser auf.
»Tut mir leid, Hagen, das …«
»Hau einfach ab! Okay?«
Robert stellte die Gläser auf das Regal neben die Bücher, machte einen Satz über die
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