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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Beobachtung? Der Fall Lahnstein ist dringlicher. Und Berger kam erst morgen aus dem Urlaub zurück.
    Die beiden türkischen Männer steuerten auf die Sonnenallee zu, gingen Richtung Mezarlik-Moschee. Das Gebetshaus, zugleich Heimstatt des Verbandes der Islamischen Kulturzentren, war in dem Reihenhaus mit trister Rauputzoptik kaum als solches zu erkennen. Zudem verdeckte ein Baugerüst die Fassade. Hinter den Fenstern herrschte Dunkelheit.
    Seras Onkel und Sehmus Gökcan eilten an der Eingangstür vorbei. Ein Stück weiter bogen sie in die Reuterstraße. Hier war der Verkehr nicht mehr so dicht, dementsprechend kompliziert wurde es für Sera, unbemerkt zu bleiben, erst recht, als die Männer in eine Gasse wechselten, die sich vorbei an Hinterhöfen schlängelte. Ohne das spärliche Licht, das aus einigen Fenstern fiel, hätte Sera die Hand vor Augen nicht gesehen. Kindergeschrei wechselte sich mit Fernsehplärren ab. Hip-Hop von Bushido pumpte durch das Halbdunkel. Wo wollen die beiden Männer hin?
    Im spitzen Winkel ging ein schmaler Pfad ab, zu dessen beiden Seiten sich verwilderte Gärten erstreckten. Lichter brannten hier kaum noch. Hinter einigen Zäunen kläfften oder knurrten Hunde. Sehmus Gökcan ereiferte sich über die Köter, während Onkel Mergim nur ein angestrengtes Schnaufen über die Lippen brachte.
    Als Sera hinter einer Biegung Schlüssel rasseln hörte, blieb sie stehen. Rostige Angeln knarzten, eine Tür fiel ins Schloss. Vorsichtig spähte Sera um die Ecke.
    Weiter vorne befand sich der Zugang zu einem Gebäude. In einem der oberen Stockwerke flammten nach ein paar Sekunden Lichter auf. Überrascht stellte Sera fest, dass sie vor der Rückseite der Moschee stand. Weshalb haben sie nicht die Vordertür benutzt?
    Sera stemmte sich gegen die Tür. Sie war verriegelt. Ein Zeichen, wahrscheinlich war jetzt der beste Zeitpunkt umzukehren. Oder die Kollegen zu rufen! Aber was sollte sie ihnen erklären? Außer ein paar unbedachten Bemerkungen und etwas Geheimniskrämerei, die alle möglichen Ursachen haben konnte, hatte sie nichts in der Hand. Es wird keinen Richter geben, der Ihnen diese tolle Argumentation abkauft.
    Einem Impuls folgend hangelte sie sich auf das Gerüst, das an der Fassadenmauer errichtet worden war. Von weiter oben würde sie vielleicht einen Blick in die Fenster der Moschee werfen können. Sie setzte ihren Fuß auf die erste Planke. Das Holz gab unter ihr nach.
    Sera unterdrückte einen Schrei, als sie zu Boden fiel, doch das laute Krachen, mit dem das Gerüst in sich zusammenstürzte, konnte sie nicht verhindern. Eine Holzplanke verfehlte knapp ihren Kopf, dafür knallte eine Metallstrebe auf ihre Rippen. Der Schmerz, der in ihrer Brust explodierte, verschlug ihr den Atem. Ihr wurde schwarz vor Augen.
    Die Hunde in den benachbarten Gärten kläfften wild. Aus der Moschee näherten sich aufgeregte Stimmen.

52
    Robert führte seine Besucherin ins Wohnzimmer. Da der schimmelige Geruch noch immer im Raum hing, öffnete er das Fenster.
    »Du arbeitest noch so spät?« Nadine hatte die Akte auf dem Sofa erblickt.
    Rasch packte er die Unterlagen zusammen. »Normalerweise schlafe ich um diese Zeit schon.«
    »Stimmt, da war ja noch was. Vielleicht sollten wir das mit dem Sekt lieber …«
    »So war das nicht gemeint.«
    »Nicht?«
    Statt einer Antwort holte er Gläser aus der Küche. Nadine betrachtete unterdessen die Fotos auf dem alten, englischen Sekretär.
    Sie tippte auf eins der Bilder. »Dein Bruder?«
    »Max.«
    »Auf dem Foto guckt er sehr … ernst.«
    »Er guckt immer sehr ernst.«
    »Aber jemand, der so zauberhafte Musik spielt, hat doch eigentlich keinen Grund dazu.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Nadine wartete darauf, dass er weitersprach, aber Robert füllte schweigend die Gläser mit Rotkäppchen .
    Sie nahm die vergilbte Aufnahme in die Hand. »Und das bist du?«
    »Vor dreißig Jahren.«
    »Wo ist das Foto entstanden? Hier in Berlin?«
    »Vor dem Haus unserer Eltern in Ruhleben.«
    »Du bist in Ruhleben aufgewachsen?«
    »Nein!« Die Schärfe in seiner Stimme ließ ihn selbst zusammenzucken.
    Nadine musterte ihn verunsichert, während sie das Bild beiseitelegte. Robert reichte ihr eins der beiden Sektgläser und lächelte entschuldigend.
    »Worauf stoßen wir an?«, wollte sie wissen.
    »Auf trockenere Zeiten.«
    »Auf trockenere Zeiten.« Ihr Lachen klang hell und einnehmend. Leider ging es im Lärm der Straßenbahn unter, und fast hätte Robert dabei auch das

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