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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Türläuten überhört. Während die Bahn draußen vorbeiratterte, stellte er das Glas auf den Tisch, deutete eine Entschuldigung an und ging in die Diele zur Gegensprechanlage.
    Es war Max. Roberts Bruder blieb auf dem Schachbrettmuster im Treppenhaus stehen. »Du hast Besuch!«
    »Woher weißt du das?«
    »Dein Fenster ist gekippt.«
    »Es ist nur meine Nachbarin. Sie wollte sich für den Wasserschaden im Bad entschuldigen.«
    Max machte kehrt. »Dann will ich nicht weiter stören.«
    »Aber du störst nicht!«
    »Robert, genieße einfach den Abend.«
    »Aber es ist nur meine Nachbarin.«
    »Ist sie wenigstens nett?« Max zwinkerte. Unsere Eltern würden wollen, dass du endlich wieder lebst. Noch ehe Robert antworten konnte, war sein Bruder auf die Straße verschwunden. Mit einem Klacken glitt die Tür hinter ihm ins Schloss.
    Kopfschüttelnd kehrte Robert ins Wohnzimmer zurück.
    Nadine sah ihn mit großen Augen an. »Hat es geklingelt? Ich habe gar nichts gehört.«
    »Es war Max.«
    »Dein Bruder? Warum ist er nicht hereingekommen? Ich hätte ihn gerne kennengelernt.«
    Er wollte nicht stören. »Er war müde.«
    Über Nadines Gesicht huschte Irritation. »Hat es wirklich geklingelt? Oder versuchst du mir gerade durch die Blume zu erklären, dass ich langsam gehen sollte?«
    »Wieso sollte ich?«
    »Du würdest mir sagen, wenn ich dich von der Arbeit abhalte, oder?« Sie nippte am Sekt.
    Roberts Blick fand die Akte. »Manchmal lasse ich mich auch ganz gerne von der Arbeit abhalten.«
    »Gibt es so viele Patienten …? Sagt man das? Patienten?«
    Er bejahte.
    »Gibt es also so viele Leute in Berlin, die therapeutische Hilfe benötigen, dass sie dich sogar noch am späten Freitagabend beschäftigen?«
    »Offen gestanden habe ich im Augenblick überhaupt keine Patienten. Gegenwärtig ist meine Praxis geschlossen.«
    »Und woran arbeitest du dann?«
    Er dachte an die verstümmelte Leiche des jungen Lahnstein. Man hat ihm die Hände und Füße gebrochen, danach die Haut vom Leib gezogen . Ja, die Parallele war wirklich erstaunlich.
    Etwas an seinem Blick schien Nadine schon wieder zu verunsichern. »Entschuldige, ich wollte nicht neugierig sein.«
    »Nein, nein, das warst du nicht«, beruhigte er sie. In Wahrheit versuchte er gerade seine eigene Besorgnis zu besänftigen, aber ein Rest Nervosität blieb, und der Grund dafür war nicht die Anwesenheit Nadines. Aber ein bisschen schon, sei ehrlich!
    »Manchmal helfe ich der Polizei«, sagte er mit einem Lächeln.
    »Bist du ein … Profiler?«
    Robert blendete routiniert das Bild des toten Mannes aus. Und die Parallelen sind einfach nur ein Zufall! Der Knochenmann saß hinter Schloss und Riegel, die Verhandlung begann demnächst, ihn erwartete die Todesstrafe. Was sollen also die Zweifel?
    »In Deutschland nennt man mich Fallanalytiker«, sagte Robert. »Und in der realen Welt ist das nicht ansatzweise so aufregend wie im Fernsehen.«
    »Auch nicht in den USA? Dort warst du doch, oder? Zumindest hat mir das Frau Kornfeld erzählt.«
    »Püppi?«
    »Gott bewahre, nein.« Nadine lachte. »Ich meinte die alte Frau Kornfeld.«
    »Du kanntest sie?«
    »Ja, ich bin schon vor zweieinhalb Jahren in die Wohnung eingezogen. Eine nette, alte Dame. Mir hat gefallen, wie sie lebte. Und ihr Musikgeschmack. Ihr Sohn dagegen ist ein …« Sie hüstelte despektierlich.
    »Sag es ruhig.«
    »Ein Prolet vor dem Herrn.« Sie kicherte. »Oder wie würdest du als Psychologe ihn bezeichnen?«
    »Manchmal ist die einfachste zugleich die treffendste Bezeichnung.«
    »Die du aber bitte für dich behältst.«
    »Selbstverständlich.« Er hob die flache Hand zum Schwur. »Ärztliche Schweigepflicht.«
    Nadines mitreißendes Lachen erfüllte den Raum. Robert hätte ihm gerne noch länger gelauscht, doch die junge Frau leerte ihr Glas und erhob sich mit einem Ruck. »So, jetzt sollte ich mich aber wirklich auf den Weg machen.«
    »Stimmt, du hast es noch weit.«
    »Genau achtundzwanzig Stufen!« Im Treppenhaus blieb sie noch einmal stehen. »Was hältst du davon? Magst du morgen Abend mit mir essen?«
    »Wenn es wegen dem Wasserschaden ist, dann …«
    »Natürlich, was denkst du denn?«
    »Ich dachte, der Sekt war schon die Wiedergutmachung?«
    Sie schmunzelte. »Der war nur ein Aperitif. Also morgen Abend? Sagen wir, um achtzehn Uhr?«
    »Nur, wenn ich dich einladen darf!«
    »Aber …«
    »Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Ihr Lächeln war hinreißend.
    »Sehr schön«, befand Robert.

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