Kalte Herzen
anonyme Nachricht.
Morphium, das sich passenderweise in Abbys Spind findet.
Jemand will ihr das anhängen.«
»Zu welchem Zweck?« fragte Susan.
»Um sie zu diskreditieren. Um ihre Entlassung zu betreiben.«
Parr schnaubte. »Sie wollen doch nicht andeuten, jemand hätte eine Patientin ermordet, nur um Dr. DiMatteos Karriere zu ruinieren?«
Mark wollte etwas antworten, schien sich jedoch eines Besseren zu besinnen. Es war eine absurde Theorie, und das wußten alle.
»Sie müssen zugeben, daß diese Verschwörungstheorie ziemlich weit hergeholt ist«, meinte Susan.
»Nicht so weit hergeholt wie manches, was mir bereits geschehen ist«, sagte Abby. »Schauen Sie sich an, was Victor Voss schon getan hat. Er ist geistig instabil. Er hat mich in der chirurgischen Intensivstation tätlich angegriffen. Und blutige Organe in mein Auto zu legen, ist das Werk eines kranken Gehirns. Und dann die Klagen – zwei sind es schon. Und das ist erst der Anfang.«
Es entstand ein erneutes Schweigen. Susan sah Parr an. »Weiß sie es noch nicht?«
»Offenbar nicht.«
»Was weiß ich noch nicht?« fragte Abby.
»Wir haben kurz nach Mittag einen Anruf von Hawkes, Craig und Sussman erhalten«, sagte Susan. »Die Klagen gegen Sie wurden fallengelassen. Beide.«
Abby ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken. »Das verstehe ich nicht«, murmelte sie. »Was tut er? Was macht Voss?«
»Wenn Victor Voss tatsächlich versucht haben sollte, Sie zu belästigen, hat er offenbar damit aufgehört. Das hat nichts mit Voss zu tun.«
»Wie erklären wir uns die Sache dann?« fragte Mark.
»Betrachten Sie die Indizien.« Susan wies auf die Ampulle.
»Es gibt keinerlei Zeugen oder Hinweise, die eine Verbindung zwischen dieser speziellen Ampulle und dem Tod der Patientin nahelegen.«
»Ich denke, wir können trotzdem alle denselben Schluß ziehen.«
Die Stille war erdrückend. Abby bemerkte, daß niemand sie ansah. Nicht einmal Mark.
Schließlich erhob Wettig die Stimme. »Was schlagen Sie vor, Parr? Die Polizei hinzuzuziehen? Damit aus dem Durcheinander ein Medienzirkus wird?«
Parr zögerte. »Das wäre vielleicht verfrüht.«
»Entweder belegen Sie Ihre Anschuldigungen, oder Sie ziehen sie zurück. Alles andere wäre ungerecht gegenüber Dr. DiMatteo.«
»General, lassen Sie uns die Polizei aus der Sache heraushalten«, sagte Mark.
»Wenn Sie das einen Mord nennen wollen, sollte die Polizei hinzugezogen werden«, wiederholte Wettig. »Vielleicht rufen Sie auch gleich noch ein paar Reporter an und setzen Ihre PR-Abteilung in Marsch. Sie könnten ein bißchen Aufregung gebrauchen. Alles offenlegen, das ist immer die beste Politik.«
Er sah Parr direkt an. »Wenn Sie es einen Mord nennen wollen.«
Es war eine offene Herausforderung.
Parr gab nach. Er räusperte sich und sagte zu Susan: »Wir können nicht vollkommen sicher sein, daß es das ist.«
»Sie sollten sich aber sicher sein, daß es ein Mord ist«, sagte Wettig. »Sie sollten sich verdammt sicher sein, bevor Sie die Polizei anrufen.«
»Die Angelegenheit wird noch untersucht«, warf Susan nun ein. »Wir müssen noch weitere Schwestern der Station befragen, um festzustellen, ob wir etwas übersehen haben.«
»Tun Sie das«, sagte Wettig.
Es entstand eine weitere Pause. Noch immer sah niemand Abby an. Sie war aus dem Blickfeld der anderen verschwunden, die unsichtbare Frau, die keiner zur Kenntnis nehmen wollte.
Als sie die Stimme erhob, schienen alle überrascht. Sogar Abby erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder. Sie klang wie die einer Fremden, ruhig und fest. »Ich würde jetzt gerne zu meinen Patienten zurückkehren. Wenn ich darf«, sagte sie.
Wettig nickte. »Nur zu.«
»Warten Sie«, sagte Parr. »Sie kann nicht einfach zu ihren Pflichten zurückkehren.«
»Sie haben nichts bewiesen«, sagte Abby und stand auf. »Der General hat recht. Entweder belegen Sie Ihre Vorwürfe, oder Sie ziehen sie zurück.«
»Wir haben einen unbestreitbaren Tatbestand«, sagte Susan.
»Illegaler Besitz von nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln.
Wir wissen nicht, wie Sie in den Besitz dieses Morphiums gekommen sind, Doktor, aber die Tatsache, daß Sie es in Ihrem Spind hatten, ist gravierend genug.« Sie sah Parr an. »Wir haben keine Wahl. Das Risiko einer Haftung und Schadenersatzpflicht ist sehr groß. Wenn irgend etwas mit irgendeinem ihrer Patienten passiert und die Leute herausfinden, daß wir von dieser Morphiumgeschichte gewußt haben, sind wir erledigt.«
Sie
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